Originaltitel: BELLAMY

F 2009, 110 min
FSK 12
Verleih: Concorde

Genre: Krimi, Drama

Darsteller: Gérard Depardieu, Jacques Gamblin, Marie Bunuel, Clovis Cornillac

Regie: Claude Chabrol

Kinostart: 09.07.09

28 Bewertungen

Kommissar Bellamy

Paul und Claude – Zwei Typen kribbelt’s noch immer in den Fingern

Der 57. Film oder doch schon Nummer 58? Was spielt das schon für eine Rolle ... Chabrol ist einer der fleißigsten, unbeirrbarsten und über all die Jahre noch immer einer der faszinierendsten Filmemacher der Grande Nation. Vielleicht aber ist die Zahl dann doch von Belang, denn wenn Chabrol – was zu hoffen ist – noch ein paar Jahre unter uns weilt, schafft er bei seinem Arbeitspensum vielleicht auch den 60. Film. Und dieses Jubiläum wäre vielleicht auch die Chance einer Wiedergutmachung, eines neuerlichen Aufbäumens – mit einem Film, in dem noch einmal der frühere, der in der Tat bessere Chabrol richtig aufblitzt. Das nämlich passiert in seinem aktuellen Film leider nur selten. KOMMISSAR BELLAMY ist nicht schlecht, er ist keinesfalls mißlungen, er ist nur etwas müde und gebremst – im Tempo, in fehlenden dramaturgischen Höhepunkten, im etwas wüsten Konzept des Plots an sich. In der Darstellung hingegen gibt es keinerlei Defizite, liefert doch ein auf den Punkt spielender, uneitler Depardieu mal wieder eine Glanzleistung ab. Er ist Paul Bellamy, ein pensionierter Kommissar, dem es plötzlich wieder in den Fingern kribbelt, als er einen merkwürdigen Anruf bekommt und eine Type um sein Haus schleicht. Plötzlich geht es wieder um Mord, falsche Identitäten, den Anfang macht dabei ein verkohlter Korpus hinter dem Steuer eines ausgebrannten Autos. Ein Muß also für den stillgelegten Ermittler, sehr zur Unbill der holden Gattin, die eben doch auch mal was anderes machen wollte, als mittlerweile täglich Mittagsschlaf zu halten mit darauf folgendem Vesper. An den Nil sollte es gehen, nun aber hat Paul Diesseitigeres im Sinn.

Der Auftakt ist fein, da schwebt George Brassens’ warme Stimme über den Gräbern, dann aber wechselt Chabrol ins Interieur und erzählt – mit Verlaub – elegant, aber doch etwas verschlafen. Er schafft es nicht, den Zuschauer richtig neugierig zu machen. Vielleicht tut er dies gar mit Intention, um die Figur des zumindest anfänglich bräsig-müden Kommissars zu zeichnen. Aber dafür würde doch Depardieus Erscheinung allein genügen – dieser dickbäuchige Bär, beim Einnicken über dem Kreuzworträtsel, beim Kaffeekränzchen in Rentnerweste. Statt mehr von diesen Bildern und Stimmungen, wie es nun mal die Arbeit des Filmregisseurs gebietet, zu kreieren, setzt Chabrol eher auf Paroles, Paroles. Das nimmt seinem sich im Fortlauf als intendierter Genremix aus Krimi und Familiendrama entpuppenden Film doch ein wenig die Würze und lenkt davon ab, daß gottlob manches doch noch beim Alten ist: Chabrols Faible für putzige Namenskonstrukte beispielsweise. Hier heißt ein sich selbstanzeigender Mörder irritierenderweise Noel Gentil, dann taucht eine Mme Bonheur auf, und der Kommissar selbst verweist auf de Maupassant. Chabrol seziert diesmal weniger die moralischen Abgründe einer saturierten Gattung Mensch, sondern ziseliert – das tut er dann doch ganz formidabel – die Schrulligkeiten des pensionierten Bürgertums heraus und versteht es zudem wieder trefflich, seine Darsteller selbstironisch und mit wachsender Leidenschaft in Figuren schlüpfen zu lassen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt sympathisch sind.

Also bleiben wir dabei: Mindestens ewig soll Chabrol leben und seinem beeindruckenden Oeuvre noch das Sahnehäubchen aufsetzen. Wie gesagt, vielleicht mit seinem 60. Film. Es darf aber gern auch schon eine Nummer früher sein ...

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.