Originaltitel: MATTERHORN

NL 2013, 87 min
FSK 6
Verleih: Pro Fun

Genre: Tragikomödie

Darsteller: René van’t Hof, Ton Kas, Ariane Schluter, Porgy Franssen

Stab:
Regie: Diederik Ebbinge
Drehbuch: Diederik Ebbinge

Kinostart: 09.01.14

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Matterhorn

Zwei Käuze entfliehen dem Kleinstadtkäfig

Fred ist ein Mensch, den man wohl am besten als zugeknöpft beschreiben kann. Sein übersteigerter Ordnungswahn geht so weit, daß Fred erst mit seinem Abendessen beginnt, wenn die Uhr exakt 18 Uhr anzeigt und das Tischgebet gesprochen ist. Seit dem Tod seiner Frau und dem Weggang seines Sohnes lebt Fred allein und begegnet dem Fluch der Vereinsamung mit einer möglichst klaren Tagesstruktur.

In dieses sorgsam in Einheiten aufgeteilte Leben tritt der Bettler Theo. Als guter Christ nimmt Fred den anscheinend obdachlosen Theo bei sich auf. Fred genießt es zunehmend, dem geistig zurückgebliebenen Mann Manieren beizubringen, die Fred als Grundlage eines zivilisierten, gottgefälligen Lebens sieht. Er nimmt Theo sogar mit in den Gottesdienst. Die Kirchengemeinde reagiert allerdings nicht mit Lob ob Freds Akt der Nächstenliebe, sondern beäugt das Zusammenleben der beiden einsamen Käuze zunehmend argwöhnisch. Als der Argwohn in Feindseligkeit umschlägt, beschließt Fred, mit Theo eine Reise zu tun. Und zwar zum Matterhorn, wo er einst seiner Frau einen Heiratsantrag machte. Doch die geplante Tour fördert ein Geheimnis zu Tage, das Freds heile Welt endgültig auf den Kopf stellt und ihn mit dem entscheidenden Fehler seiner Vergangenheit konfrontiert.

Das Aufeinandertreffen zwischen einem festgefahrenen Spießer und einem ungebundenen Kindskopf ist eine beliebte Komödienkonstellation mit meist vorhersehbarer Figurenentwicklung. Obwohl MATTERHORN sich dieser Prämisse bedient, schafft es der Film, sie zu einer einzigartigen Leinwandbegegnung auszugestalten. Regisseur Diederik Ebbinge gelingt in beinahe jeder Szene eine feine Situationskomik, die vom tragischen Unterton der Geschichte genährt statt untergraben wird. Im letzten Drittel beweist Ebbinge dann zudem den Mut zur großen Emotion, ohne einen Bruch mit dem bis dato eher lakonischen Ton seines Werks zu riskieren.

Bemerkenswert an seinem Film ist auch, wie er, ohne eine explizit homosexuelle Beziehung seiner Protagonisten zu erzählen, die Themen Homophobie und Diskriminierung anpackt. Ein starkes Stück europäisches Kino aus den Niederlanden, das mit skandinavischen Qualitäten aufwartet.

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...