Originaltitel: UN HOMME À LA HAUTEUR

F 2016, 99 min
FSK 0
Verleih: Concorde

Genre: Komödie, Liebe

Darsteller: Jean Dujardin, Virginie Efira, Cedric Kahn

Regie: Laurent Tirard

Kinostart: 01.09.16

1 Bewertung

Mein ziemlich kleiner Freund

... ist ein Typ von wahrer Größe

Es läßt sich eben nicht verleugnen, daß der Mensch vom Tier abstammt. Vor allem in der Partnerwahl gibt es doch ein ganz ähnliches Selektionsverhalten. Wer ist der stärkste Beschützer, wer hat das dickste Fell, den feschesten Gang, die größte Gerissenheit, den stolzesten Busen, das prallste Gemächt? Ach kommt, ist doch so! Ist auch nicht schlimm, wir sind halt schlicht gestrickt, von Instinkten getrieben, denen manchmal mit ein wenig Glück sogar etwas Geist zur Seite gestellt wird, der dann aber oft aussteigt, weil wir uns immer wieder fragen, eben gerade bei der Partnerwahl: Wie komm’ ich mit ihr/ihm rüber, was werden die anderen sagen, reicht echte Liebe aus?

Und genau diese Fragen werden Diane an den Rand der Zermürbung treiben, wenn sie auf Alexandre trifft, der Typ, der ihr Handy fand, auf „Zuhause“ drückte, ihr ein ziemlich knisterndes Telefonat bescherte, sie schließlich zum Dîner einlud, was sie natürlich ausschlug. Mittagessen? Non! Ein Eis? Non! Kaffee soll es werden, Alexandre versichert, daß sie ihn auf keinen Fall übersehen wird. Keine Frage, der Typ sieht gut aus, hat Manieren, Eloquenz und volles Haar, Diane gerät trotzdem ins Stocken: „Man hat bestimmte Vorstellungen ...“ – „Oh, nein, nein ...“ Hatte sie eben doch, und zu diesen gehörte nicht, daß Alexandre klein ist. Also, sehr klein. 1 Meter 36. Das gleicht kein Sitzkissen aus, so krumm kann sich das Gegenüber gar nicht machen, um von „auf Augenhöhe“ zu sprechen. Alexandre hat aber im richtigen Moment den richtigen Witz parat, der die Situation nicht dauerhaft entkräftet, aber erst einmal den Moment rettet: „Ich wirke größer ...“

Ganz ehrlich: Die meisten von uns, die nicht geübt sind im Zwergentreffen, würden freundlich dreinblicken, kurz hüsteln und den schnellen Abflug via spontanen Toilettengang machen. Apropos Abflug: Die Chance kriegt Diane nicht, weil Alexandre nachlegt und mit ihr – abfliegt. Wörtlich. Wie, wird hier nicht weiter ausgeführt, muß man nämlich selber sehen und begeistert sein, weil es solche Typen wie Alexandre kaum gibt im Leben. Einer, der es krachen läßt, aber eben kein Schaumschläger ist, einer, der schon weiß, wie sein freches Grinsen wirkt, aber trotzdem keinem tumben Machismo verfällt.

Spätestens jetzt ist zu erwähnen, daß die Testosterongranate Jean Dujardin Alexandre spielt. Und da hat man sich schon ein wenig „einzusehen“, wenn ausgerechnet Dujardin, der in früheren Filmen häufig im Modus der Triebsteuerung agierte, so wörtlich klein spielen und wirken soll. Aber es funktioniert, prächtig sogar, zum einen, weil Dujardin komisch kann, ohne clownesk zu wirken, und zum anderen, weil die Figur gut geschrieben ist: mit Gefühl und Brüchen und immer wieder mit Humor. Den muß Alexandre auch in aller Entspannung haben, wird er als Architekt doch schon mal von Kollegen milde belächelt, wenn ausgerechnet er meint: „Wir müssen groß denken!“ Der Konflikt zwischen Diane und Alexandre – und es ist wirklich einer, weil die richtig große Liebe anklopft – reicht weit über das übliche RomCom-Level hinaus, und auch hier muß man sagen, daß das vor allem wegen des nuancierten Spiels Virginie Efiras klappt und eben auch wegen der Zeichnung ihrer Figur: durch und durch sympathisch und trotzdem nicht glattgebügelt in all ihren Unsicherheiten, Ängsten und letztendlich in purer Überforderung.

Man hat so vage Vermutungen, wie derartige Begegnungen im echten Leben ausgehen würden, zum Glück aber sind wir im Kino und sehen eine wahrlich hinreißende Komödie, in der Folgendes schon mal als waschechtes Liebesgeständnis durchgehen kann: „Gut, Dir wird der Nacken weh tun und mir der Rücken ...“

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.