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Police, Adjective

Studie von wohlkomponierter Sprödigkeit

Cristi ist ein Polizeibeamter in einer rumänischen Kleinstadt. Er ist noch jung, aber nicht naiv. Kein Mensch von überzogenem, weltfremdem Idealismus. Aber einer, dessen moralische Parameter noch funktionieren. Als er einem Jugendlichen, der angeblich gelegentlich auf dem Schulhof Hasch raucht und hin und wieder auch verkauft, eine Falle stellen soll, verweigert Cristi den Befehl. Er argumentiert logisch und moralisch: Den Jugendlichen könnte diese Aktion für Jahre hinter Gitter bringen. Ein Leben wäre ruiniert, einen Gewinn gäbe es dabei für keinen. Mithin entbehren die Verdachtsmomente der Relevanz. Eine Verweigerung, die sich also auch auf die Relation der Mittel beruft. Cristis vorgesetzter Offizier ist Angelhache. Und der sieht den Sachverhalt ganz anders – und kann darüber hinaus eine Befehlsverweigerung nicht zulassen.

Womit sich in Corneliu Porumboius Film POLICE, ADJECTIVE nicht nur ein Konflikt, ein Duell zwischen zwei Männern entspinnt, sondern auch ein Exkurs über die Grenzen zwischen Recht und Gerechtigkeit, zwischen Macht und Moral, individueller Freiheit und deren Deformation (auch darin, wie man Freiheit definiert) in diktatorischen Strukturen. Reizvoll an POLICE, ADJECTIVE ist unter anderem, daß dieser Film sich der Kategorisierung verweigert. Wie will man das nennen, was Porumboui hier zeigt? An der Oberfläche ist das ein Polizeifilm von fast dokumentarischem Realismus. Aber darunter? Ein Thesen-Thriller, ein moralphilosophischer Exkurs? Eine Politsatire? Eine grantig lakonische Bestandsaufnahme, gesellschaftliche Auslotung? Formstreng und unprätentiös ist dieser Film. Eine Studie in Sprödigkeit auch. Aber diese Sprödigkeit ist eine wohlkomponierte. Eine, die in wenig mehr als 20 Kameraeinstellungen, allesamt Long Takes erlesener Schmucklosigkeit, viel erkennen läßt von den disziplinierten, entschlackten, asketischen Bilderregisseuren á la Antonioni oder Rivette oder Bresson. Ja, auch Porumboiu beherrscht das meisterhaft. Und steht damit natürlich auch in einer Reihe hervorragender rumänischer Kinoproduktionen.

Fast drei Jahre nun brauchte dieser Film, trotz internationaler Erfolge, nicht zuletzt in Cannes, um auf deutsche Leinwände zu finden. Ein Symptom für hiesige Ignoranz und eine Kinokultur, die sich gerade auch im Vergleich mit einem „armen“ Land wie Rumänien als deprimierend armselig offenbart.

Originaltitel: POLITIST, ADJECTIV

Rumänien 2009, 113 min
FSK 0
Verleih: Peripher

Genre: Drama, Polit, Thriller

Darsteller: Dragos Bukur, Vlad Ivanov, Irina Saulesku

Regie: Corneliu Porumboiu

Kinostart: 03.05.12

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.