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Public Enemy No. 1 – Todestrieb

Der lange Film vom schnellen Tod

Er ist zurück in Frankreich. Und Mesrine, dem charismatischen Ganoven, halb übermütiges Schlitzohr, halb unberechenbarer Brutalo, vergönnt jetzt auch die alte Heimat jene Ehre, die ihm schon das Exil in Übersee zuteil werden ließ. Als „Staatsfeind Nummer 1“ prangt sein Konterfei von Zeitungen und Steckbriefen. Der Bankräuber ist ein Medienstar, der sich gerne auch als Revolutionär geriert. Denn wir haben die 70er Jahre, und nichts war da bekanntlich schicker als Klassenkampfgelaber. Und kaum etwas prägte diese Dekade mehr als der Terror, der der Eskalationspunkt einer politisch angespannten Atmosphäre war.

Eine Atmosphäre, die Jean-François Richet dem zweiten Teil seiner cool gestylten, bleihaltigen Gangster-Biographie als einschlägigen Geschmacksverstärker beimischt. Was freilich auch zur Folge hat, daß Mesrine in seiner charakterlichen Konturierung mehr und mehr zum selbstgefälligen Arschloch mutiert. In seinem Narzißmus phasenweise die medienwirksame Eigenstilisierung zum antikapitalistischen Robin Hood für bare Münze nehmend. Woraus dann etwa auch die moralische Legitimation erwächst, den entführten Journalisten eines konservativen Blattes erst bis aufs Letzte zu demütigen und dann wie einen Hund totzuschlagen. Eine Kernszene, die in ihrer Brutalität eine Zäsur in der Personenzeichnung Mesrines ist und zugleich gerade in ihrer Lakonie und Härte ein passender Kommentar zum damaligen Zeitgeist.

Eine Szene, die aber auch Mesrines Untergang einläutet, dem man als Zuschauer, nun von allen etwaigen Sympathien befreit, gebannt beiwohnen darf. Denn trat dieser zweite Teil von Richets Gangsterepos bis dato ein wenig (wenn auch recht kurzweilig) auf der Stelle mit seiner Abfolge von Banküberfällen, Verhaftungen, Fluchten und erneuten Banküberfällen, steuert er jetzt mit eisiger Rasanz aufs gnadenlose Finale zu. Wie das aussieht, skizzierte schon der Beginn des ersten Teils – doch wie Richet die Zeit bis dahin jetzt beschleunigt und wieder verschleppt, den Kulminationspunkt geschickt hinauszögert mit kleinen, clever plazierten Suspense-Häppchen, das ist, an Zitaten reich und doch mit eigener Handschrift, Genrekino vom Feinsten.

Mesrine: „Der Tod hat keine Bedeutung für die, die zu leben wußten.“ Fatalistische Worte eines Mannes, der wußte, worauf er sich einließ. Auf ein gewaltsames Leben und ein gewaltsames Sterben.

Originaltitel: MESRINE – L’ENNEMI PUBLIC NO 1

F 2008, 132 min
FSK 16
Verleih: Senator

Genre: Action, Drama, Gangster

Darsteller: Vincent Cassel, Ludivine Sagnier, Mathieu Amalric, Gérard Lanvin, Samuel Le Bihan

Regie: Jean-François Richet

Kinostart: 11.06.09

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.