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Renn, wenn Du kannst

Drei Freunde, ein Rollstuhl und die Liebe

Benjamin benimmt sich oft wie ein Arschloch. Nur sagt ihm das keiner, denn er sitzt im Rollstuhl. Doch dann treten sein neuer Zivi Christian und eine Cellospielerin in seine sorgfältig aufgebaute Trutzburg „Gegen den Rest der Welt“ ein.

Die Vehemenz, mit der Dietrich Brüggemann die Figur des Ben inszeniert und die Robert Gwisdek mit einer zu Herzen gehenden Mischung aus Arroganz, Humor und Intelligenz umsetzt, ist es, die diesen Film zu einem der sehenswertesten Kinodebüts des Jahres macht. Brüggemann scheut sich nicht, einen Helden zu schaffen, der seine Behinderung auf der Leinwand lebt. Ben leidet seit einem Unfall vor sieben Jahren an Tetraplegie, seine Arme und Beine sind querschnittsgelähmt. Es wird nicht weggeschnitten, wenn Ben es nicht schafft, alleine auf die Toilette zu gehen, oder wenn er fast Sex gehabt hätte mit der Cellistin. Aber die Sache mit dem Urinbeutel und der eher unspontanen Handlungsabfolge hat eben nichts mit Romantik oder spontaner Leidenschaft zu tun, und Ben ist pragmatisch genug, keine falsche Hoffnungen zu verbreiten: Es wird immer so bleiben. Er wird seine Beine nie wieder bewegen können.

Christian, der gerade nichts wirklich plant im Leben, Annika, besagte Frau mit dem Cello, und Ben, der gerade seine Magisterarbeit aus dem Fenster wehen ließ – sie werden Freunde. Es ist keine einfache Annäherung, und außerdem verlieben sich beide Jungs auch noch in Annika. Die hat selbst mit einem Handicap zu kämpfen: Als zukünftige Cellistin schafft sie es nicht, öffentlich vorzuspielen.

Dietrich Brüggemanns sensible Studie ums Erwachsensein wird federleicht erzählt und hallt doch eindrücklich nach. Denn jeder Charakter lebt im geistigen Kosmos seiner ureigenen Geschichte. Um sich zu befreien, weiterentwickeln zu können, muß er sich vor allem auf sich selbst verlassen lernen. Es ist nicht nur in Bens Fall der Kopf, der bestimmt, wo es hingehen kann, wenn der Körper nicht mitmacht, und seine Kreativität, die ihn irgendwie rettet.

Glücklicherweise hat die Bildsprache des Films überhaupt nichts Gespreiztes an sich und scheut sich nicht, mit Elementen der Animation und traumhaften Rückblenden zu jonglieren. Und wenn das Meer mit sanften Wellen die Hochhäuser umspült, Ben, Christian und in der Mitte Annika zusammen sitzen, dann wünscht man ihnen tatsächlich, daß sie dort ewig bleiben könnten.

D 2009, 112 min
Verleih: Zorro

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Robert Gwisdek, Anna Brüggemann, Jacob Matschenz, Franziska Weisz, Leslie Malton

Regie: Dietrich Brüggemann

Kinostart: 02.09.10

[ Susanne Schulz ]