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Schattenväter

Die Söhne der großen Bären

Was verbindet den Fotografen Pierre Boom und den Schauspieler Matthias Brandt? Gibt es zwischen ihnen, abgesehen davon, daß der eine als Sohn des DDR-Spions Günter Guillaume und der andere als Sohn des Bundeskanzlers Willy Brandt gewissermaßen Nachkommen eines Politskandals sind, eine Art Schicksalsgemeinschaft? Doris Metz hat sie zum Gespräch gebeten, um diese These zu bestätigen, und stellt sich damit einer der edelsten Aufgaben des Dokumentarfilms: Verbindungen zu schaffen, das Private mit dem Politischen, das Konkrete mit dem Allgemeinen zu verknüpfen.

Daß sie daran scheitert, ist schlecht und gut zugleich. Schlecht deshalb, weil die gedachte Parallelität dieser beiden Leben sich als papierener Kurzschluß erweist, weil sie im Grunde die Schatten der übergroßen Väter verlängert. Denn die Guillaume-Affäre ist nicht die der Söhne, wie sich zeigt. Der damals zwölfjährige Matthias hat kleinere, greifbarere Erinnerungen. Im leergeräumten Haus seiner Kindheit steigen Bilder aus den Ecken - das Versteck im Wandschrank, die "Hinterkopftätschler" auf Kanzlerbesuch, ein Drehsessel, ein "emotional behinderter" Vater, der in der Politik zu Hause war und daheim ein Fremder. Auch Pierre Boom erlebte den Vater als Abwesenden, der zuerst im Gefängnis verschwand und nach seiner Entlassung im Staatsapparat der DDR. Wie der damals Siebzehnjährige den Neuanfang im Osten, die Stasibetreuer, die Einsamkeit überstand, hat er nie gefragt.

Metz’ Versuch einer Gegenüberstellung dieser biographischen Welten, gefilmt und erlauscht in Einzelgesprächen, will zusammenbringen, was nicht zusammengehört, noch in der letzten inszenierten Szene, die Brandt und Boom schweigend aufeinandertreffen läßt. Wie zum Trotz, gegen das Konzept des Films, ist stattdessen etwas anderes, ja Wunderbares entstanden - zwei sehr persönliche Porträts im jeweils besonderen Ton ihrer Erzähler. Gefaßt, auch anklagend, auch schmunzelnd entwerfen die Söhne hier Schattenbilder ihrer Väter, wie sie keine politische Biographie zu zeichnen vermag.

Enttäuschung ist die emotionale Parallele. Und sie hätte weder der melancholischen Landschaftsaufnahmen noch des bemüht lyrischen Wechselgesangs zwischen Sopran und Oboe bedurft, um zu berühren.

D 2005, 93 min
Verleih: Movienet

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Doris Metz
Drehbuch: Doris Metz
Musik: Markus Stockhausen

Kinostart: 22.12.05

[ Sylvia Görke ]