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Schwarze Tafeln

Durch die Berge zieht Bildung

Ein Wald aus schwarzen Tafeln schmiegt sich in einen Berg, darunter ängstlich geduckte Köpfe, Ohren die das Abebben des Flugzeuglärms herbeisehnen, wahrscheinlich zusammengepreßte Augen. Der Wald erwacht aus seiner Versteinerung und verwandelt sich in eine Schar von Lehrern, die von ihrer Last auch nach überstandener Gefahr zum Boden gebückt bleiben. Bald wird deutlich, daß ihre verzweifelte Suche nach Schülern hier in den Bergen an der Grenze zum Irak erfolgreicher sein wird als in den Dörfern ringsum, denn auf den steinigen Pfaden sind Karawanen von Menschen unterwegs, Kurden auf der Flucht, auf der Heimkehr. Reboir schließt sich einer Gruppe schmuggelnder Kinder an, Said folgt einem Zug alter Männer. Beide Missionen werden scheitern - die eine tödlich, die andere einfach nur traurig.

Samira Makhmalbaf ist die hellsichtige Begleiterin dieser angeschlagenen Ritter der Bildung, schreitet voran oder läuft mit ihnen zurück, zeigt ihren Hunger, vor allem aber ihren Eifer. Während Reboir unter den erschöpften Jungen einen Lernwilligen zu finden scheint, läßt sich Said mit der einzigen Frau im Greisentroß verheiraten, um ihr Lesen und Rechnen beibringen zu können. Am Ende wird man sich trennen. Die Tafel bleibt als Mitgift auf den Schultern der Frau, bekritzelt mit Saids Liebesgeständnis.

In dieser jungen Regisseurin scheint eine unerschöpfliche poetische Kraft, ein unermeßlicher Schatz an visuellen Metaphern zu stecken, die schon ihr Spielfilmdebüt DER APFEL so besonders und unvergeßlich machten. Die Bilder verweisen aufeinander, ergänzen und zerstören sich, sind deshalb nicht nur schön sondern auch bitter wahr.

So werden die Tafeln zu Flügeln und Bürden zugleich, gemacht um geistige Grenzen zu überwinden und an den wirklichen zwischen Iran und Irak, zwischen Heimat und Fremde, letztlich an einer jede Neugier, jedes Fragen erstickenden Wirklichkeit zu scheitern.

Originaltitel: TAKHTE SIAH

Iran/I/J 2000, 85 min
Verleih: Kairos

Genre: Drama

Darsteller: Said Mohamadi, Behnaz Jafari, Bahman Gobadi

Stab:
Regie: Samira Makhmalbaf
Drehbuch: Samira Makhmalbaf, Mohsen Makhmalbaf

Kinostart: 07.03.02

[ Sylvia Görke ]