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Selbstgespräche

Wir müssen reden - aber worüber?

Die Idee ist gut. Ein Callcenter als Mikrokosmos, in dem Individuen aufeinander treffen, die verschiedener nicht sein können, als ein Ort, wo sich diverse Lebensläufe und Lebensentwürfe kreuzen, wo man zwar nebeneinander sitzt, aber die meiste Zeit in voneinander getrennten Boxen verbringt - denn Zeit ist Geld, und das wird mit Vertragsabschlüssen via Headset und nicht beim Plausch mit dem Nachbarn verdient. Eine wohl tönende Telefonstimme, die Fähigkeit, ein "virtuelles Lächeln" zu Stande zu bringen, und einiges mitunter unverfrorenes Verkaufstalent sind auch hier die einenden Job-Prämissen eines sonst disparaten Grüppchens.

Sascha, im Auftreten ein Tausendsassa, träumt von der großen Karriere im Showgeschäft, Marie, alleinerziehende Mutter, hofft auf eine Anstellung als Architektin, Adrian, ein überaus talentierter Verkäufer, muß ein Frauenproblem überwinden, und ihr aller Chef Richard Harms, ein Berserker um Prozente, vergißt, daß er mal ein Zuhause hatte und eine Ehefrau. Kaum auf- und vorgestellt mit ihren Sorgen und Nöten, kommt den Protagonisten weiterer Unbill in Form einer digitalen Anzeigetafel und einer Order ins Großraumbüro. Innerhalb von vier Wochen sind die Verkaufszahlen zu steigern, sonst droht die Entlassung.

Der Regisseur arbeitet sich mit seinem Film ab - an vier zentral agierenden Existenzen und einem großen Themenkomplex. Leider vergeblich. Die Figurenzeichnung bleibt seltsam vage (dabei verlautbart das Presseheft, die Figuren wären " ...mit komödiantischer Leichtigkeit vor tragisch realistischem Hintergrund beschrieben"), und überdies läßt Erkau das talentierte Ensemble zuweilen quasi ins Leere laufen. Die Charaktere aber wären ohnehin schwer zu fassen, werden sie doch mittels schneller Schnitte durch den Plot gejagt, scheinbar um die Holprigkeit der Erzählung zu kaschieren. Da bleibt wenig Nachvollziehbares, gleichwohl das Milieu so gut recherchiert wie gewählt ist, und es davon zu erzählen lohnt. Die Krux ist: der Regisseur hat sich nicht entschieden. Nicht für wenigstens eine seiner Figuren oder ihr Schicksal, nicht für Komödie oder Tragödie, nicht für einen Schwerpunkt - wie Gesellschaftskritik oder die Not des Individuums - und ebenso wenig für eine spannende filmische Umsetzung. Seine SELBSTGESPRÄCHE bleiben ein Potpourri ohne Tiefgang und formal ein besserer Fernsehfilm - Leinwandgröße erlangen sie nicht.

D 2007, 96 min
Verleih: Filmlichter

Genre: Tragikomödie

Darsteller: August Zirner, Maximilian Brückner, Kirsten Block

Regie: André Erkau

Kinostart: 23.10.08

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.