Originaltitel: THE WHALE

USA 2022, 117 min
FSK 12
Verleih: Plaion

Genre: Drama

Darsteller: Brendan Fraser, Sadie Sink, Samantha Morton

Regie: Darren Aronofsky

Kinostart: 27.04.23

4 Bewertungen

The Whale

Requiem für seinen Traum

Das Schwerwiegendste, um mit rhetorischem Ungeschick im Bild zu bleiben, an diesem zutiefst menschlichen, berührenden und dabei mit Sentimentalität gottlob knausernden Film ist vielleicht, daß man sich an der immensen Leibesfülle von Charlie nicht festglotzt. Er ist fett, keine Frage, unappetitlich fett sogar, aber wenn wir in Charlies Gesicht schauen, in diese schon lebensmüden und trotzdem oft mit einer kindsartigen Neugier alles abtastenden Augen, dann sehen wir einen an sich zweifelnden, durchaus reflektierenden, aber auch selbstbetrügerischen, liebesbedürftigen, verwahrlosten und in alldem sehr einsamen Menschen. Die Leibesfülle allein drängt sich nicht in den Vordergrund, es braucht auch keine dieser zeitgeistig-plumpen „No Bodyshaming!“-Ermahnungen, denn die Empathie des Zuschauers stellt sich durch die zärtliche, aufs Wesentliche reduzierte Inszenierung Darren Aronofskys und das komplett ohne Drüber-Moment auskommende Spiel seines umwerfenden Darstellers Brandon Fraser ein.

Der Film hat in Nuancen sogar etwas, ja tatsächlich, Leichtes, weil Charlie eben nicht nur fett ist, er ist auch geistreich, sehnsuchtsvoll, schwul, klug, belesen, fürsorglich auf komplizierte Art und durchaus von wachem Witz. Daß seine Tage gezählt sind, daß der Besuch von Freunden und Familie bereits Teil der Totenmesse ist, ist dem hypertonischen Kerl bewußt, Freßorgien mit eimergroßen Fried-Chicken-Portionen werden weiterhin von innerem Selbstekel und äußeren Tränen orchestriert. Charlie hat keine Zukunft, jedoch einen Traum, einen Wunsch: Er will die verbleibende Kraft für die Versöhnung mit seiner mit der Welt hadernden Tochter aufwenden.

Ihr will er, ausgerechnet der in Form Zerfließende und an Odem Verknappte, zeigen, daß das Leben lebenswert sein kann, daß das Verständnis von Literatur, ein menschliches Miteinander, die Fähigkeit zu Liebe und Trauer, das Verheilen von Wunden, das Verzeihen, wenn man die verletzt, die man am meisten liebt, und auch das Füttern von Tauben noch immer Grundfesten sind, die uns Menschen ausmachen. Das hat nichts Gönnerhaftes, eher Größe, gerade in der Situation, in der sich Charlie befindet. Da überwindet einer alles an Selbstmitleid und Scham und gibt davon weiter, was ihn eigentlich immer ausgemacht hat, auch und gerade in seinen fehlerhaften Entscheidungen, in seinen schwächsten Momenten, in seinen letzten Stunden: Nächstenliebe.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.