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Unser täglich Brot

Willkommen in der Zukunft

Fast ist es so, als lege der Film Zeugnis ab vom Ende der Welt. So wir sie kannten. Oder zu kennen glaubten. Vielleicht, der Titel legt es nah, erzählt er die Schöpfungsgeschichte neu. Möglicherweise sind wir in der Zukunft angekommen, ohne es zu bemerken. Das Thema ist verbindend und kaum eines weniger geeignet, sich zu entziehen. Der Versuch, es verkürzt zu formulieren, mündet in einer Frage (der andere folgen müssen): Welchen Preis zahlen wir für die Produktpalette in den Supermärkten?

DARWINS NIGHTMARE und WE FEED THE WORLD dürften noch in Erinnerung sein, der Österreicher Nikolaus Geyrhalter nun geht mit seiner Dokumentation noch einen Schritt weiter. In sorgfältig kadrierten Plansequenzen bildet er die zeitgenössische Nahrungsmittelproduktion ab. Er zeigt Tierzucht- und Schlachtanlagen, nahezu voll automatisiert, und eine Landwirtschaft, die längst keine Bodenhaftung mehr hat. Die Komposition der Bilder zum Zentrum hin erweckt den Eindruck, Geyrhalter wolle dort, wo industrielle Anlagen, sterile Laboratorien, surreale Landschaften und mechanisierte Abläufe zu sehen sind, zum Kern des Geschehens dringen. Dieser aber ist außerhalb des gestochen scharfen Bildrandes zu suchen, dort, wo die Kamera nicht hinschaut und der Film dem Zuschauer Gelegenheit gibt zu Assoziationen.

Der Regisseur verzichtet bewußt auf Text, auf Zahlen, auf Interviews, auf Musik, und doch ist sein Film, Bildfolge und bizarre Klänge, ein didaktisches Zeitdokument. Formal ist dies an einem Schnittrhythmus festzumachen, der dem Zuschauer einen Wechsel von An- und Entspannung suggeriert. So folgen auf Bilder sterbender Schweine solche gigantischer Mähdrescher, auf eine Szene, in der Hühner zerteilt werden, Aufnahmen von Äpfeln in einem riesigen Schwimmbecken. Unterbrochen wird diese Dramaturgie von Momenten fast vollkommener Stille, in denen Geyrhalter wortlose Arbeiter während ihrer Pausen filmt. Nicht zuletzt sind es diese Minuten der Beobachtung, die unerträglich scheinen.

Eingespannt in einen industriellen Produktionsprozeß, aus dem jeder natürliche Ablauf längst verbannt ist, indem der Kreislauf des Lebens mißachtet, sogar negiert wird, ist neben Tier und Pflanze ein weiteres Opfer auszumachen: der Mensch unter dem Diktat von Effizienz, Logistik und Maschinen.

Österreich 2005, 92 min
Verleih: Alamode

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Nikolaus Geyrhalter
Drehbuch: Wolfgang Widerhofer, Nikolaus Geyrhalter

Kinostart: 22.02.07

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.

Unser täglich Brot ab heute im Kino in Leipzig

  • heute

    Luru Kino: Off Europa: Schöne neue Welt 17:30

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