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Utopians

Vielschichtiger Blick auf eine komplizierte Beziehung

Der in diesem Jahr gerade 80 Jahre alt gewordene Maler Gerhard Richter hat mal gesagt, daß es Unsinn sei, über Malerei zu reden, da man sie nicht in Worte fassen kann. Und wenn man es könnte, brauchte man nicht zu malen. Denn die Malerei sei eben schon ihre eigene Sprache. Als leidenschaftlicher Kinobesucher und erst recht als jemand, der über Filme schreibt, vergißt man manchmal, daß gerade auch der Film eine eigene Sprache ist oder zumindest sein kann und damit etwas zum Ausdruck bringt, was mit Worten nicht zu beschreiben ist. Zum Glück gibt es immer wieder Filme, die einen daran erinnern.

Zbigniew Bzymeks Debüt UTOPIANS ist ein solcher Film, und er scheint sich gegen jeden erklärerischen Zugriff zu wehren. Egal von welcher Seite man sich ihm zu nähern versucht, man bekommt ihn (mit Worten) nicht zu fassen. Glaubt man, eine Handlung entziffert zu haben, zerfasert die wie das Ende eines Stricks, an dem man sich festhalten wollte. Roger, ein Mann mittleren Alters, mehr oder weniger talentierter Yogalehrer, holt seine Tochter Zoe vom Flughafen ab. Die hat als Soldatin im Krieg gedient und jetzt nur noch das Ziel, ihre große Liebe Maya aus der Psychiatrie zu holen, wo sie mit der Diagnose Schizophrenie eingesperrt ist. Als die drei anscheinend obdachlos Gewordenen einen Renovierungsauftrag in einem gutbürgerlichen Haus annehmen, werden die Szenen zu immer kleineren Bruchstücken ohne Anhaltspunkt zu Zeit und Ort. Und wie die Figuren in ihrer Realität, findet sich der Zuschauer im Film immer weniger zurecht, erlebt diese nicht greifbare Wirklichkeit dafür aber sehr intensiv und klar.

Der Film löst sich hier von der einfachen Bedeutungsebene einer Handlung und begibt sich auf ein viel anspruchsvolleres Level, das der rein filmischen Beschreibung. Das verwirrt erst einmal, prägt sich aber nachhaltig ins Gedächtnis ein. Genauso wie die Charaktere, die so glaubwürdig und vielfältig und überraschend sind und so überragend gut gespielt werden, daß man trotz der formalen Intensität einfach vergißt, daß all das inszeniert ist. Und zwar ohne jedes Klischee.

Da agieren Menschen auf der Leinwand, als wäre die nicht länger Projektionsfläche, sondern Fenster in die Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit, die mehr Fragen aufwirft, als Antworten parat hält. Und somit ganz nah an unserem Leben ist.

Originaltitel: UTOPIANS

USA 2011, 84 min
Verleih: Arsenal Institut

Genre: Drama

Darsteller: Jim Fletcher, Courtney Webster, Lauren Hind

Regie: Zbigniew Bzymek

Kinostart: 12.04.12

[ Marcel Ahrenholz ] Marcel mag Filme, die sich nicht blind an Regeln halten und mit Leidenschaft zum Medium hergestellt werden. Zu seinen großen Helden zählen deshalb vor allem Ingmar Bergman, Andrej Tarkowskij, Michelangelo Antonioni, Claude Sautet, Krzysztof Kieslowski, Alain Resnais. Aber auch Bela Tarr, Theo Angelopoulos, Darren Aronofsky, Francois Ozon, Jim Jarmusch, Christopher Nolan, Jonathan Glazer, Jane Campion, Gus van Sant und A.G. Innaritu. Und, er findet Chaplin genauso gut wie Keaton ...