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Verblendung (2009)

Wer jetzt noch keinen Larsson gelesen hat ...

... der muß vielleicht nicht mehr damit anfangen. Denn die Verfilmung des ersten Teils der Millennium-Trilogie macht sich auf, ihre skandinavische Erfolgsgeschichte auch in Deutschland fortzusetzen. Die Aussichten sind – titelgemäß – blendend. Man bedenke, daß schon die Vorlage notorische Nichtleser zum maßlosen Seitenfressen zu verführen vermochte. So gibt es nun für Eingeweihte ein Nachrascheln durchlesener Nächte, während alle anderen Neuland betreten – genau wie die Hauptfigur.

Mikael Blomkvist, kaltgestellter Journalist des Wirtschaftsmagazins Millennium, nimmt einen ungewöhnlichen Auftrag auf der Insel Hedeby an. Sein neuer Kunde ist der greise Großindustrielle Henrik Vanger, der nach all den geschäftlichen Fehlschlägen diesen einen Verlust nie verwinden konnte: Am Weltkindertag 1966 verschwand seine geliebte Großnichte Harriet. Längst ist der Fall zu den Akten gelegt, längst wurden alle Möglichkeiten in Betracht gezogen und wieder verworfen. Dem Fremden aus Stockholm wird ein letztes, verzweifeltes Mal die Tür zu einer Familiengeschichte aufgeschlossen, die nach Gruft und Grausamkeit riecht ...

Die Mischung aus dramaturgischem Handwerk, journalistischer Nüchternheit und einem Whodunit-Plot, der an Härte und Traurigkeit wenig zu wünschen übrig läßt, verkaufte sich weltweit wie geschnitten Brot und brachte Stieg Larsson posthum den Ruf eines Thriller-Wunderkindes ein. Was konnte, sollte, wollte ein Film dem noch hinzufügen? Regisseur Oplev hat darauf die wahrscheinlich einzige Antwort gefunden: nichts. Das Frösteln der literarischen Landschaft färbt ihm seine Bilder – keine Schnörkel, nur nötige Verdichtung. Das ist – zugegeben – filmisches Nachlesen, nicht Neuerfinden. Aber es ist überzeugend. Nicht zuletzt, weil es einem der ungewöhnlichsten Ermittlerpärchen – ja, da kommt noch eine liebenswürdig-unerträgliche junge Dame namens Lisbeth dazu – Gesichter verleiht. Und noch mehr, weil es dem skandinavischen Filmkrimi jenseits öffentlich-rechtlicher Fernsehgediegenheit endlich zum angemessenen Kinoformat verhilft.

Lassen wir sie also vorläufig ruhen, jene Diskussion um Bücher, die auf dem Weg zur Leinwand an Komplexität und viel zu oft alles verlieren. Was zur Hölle geschah mit Harriet Vanger?

Originaltitel: MÄN SOM HATAR KVINNOR

Schweden/DK/D 2009, 152 min
FSK 16
Verleih: NFP

Genre: Thriller, Literaturverfilmung

Darsteller: Michael Nyqvist, Noomi Rapace, Sven-Bertil Taube, Peter Haber

Regie: Niels Arden Oplev

Kinostart: 01.10.09

[ Sylvia Görke ]