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Zurück nach Dalarna!

Von Stockholm, Bali und anderen Fluchten

Die Geschichte einer Heimkehr wurde sehr oft im Film erzählt und ist an sich noch viel älter als das Kino selbst. Diesmal jedoch geht es nicht wie schon so häufig um einen verloren geglaubten Sohn. Nein, Mia steht im Mittelpunkt dieser hinreißenden Tragikomödie um Generationsprobleme, familiäre Entfremdung und eskapistische Schnapsseligkeit unter dem schwermütigen Himmel der schwedischen Provinz. Dieser ist die junge Frau vor Jahren entflohen, nach Stockholm.

Nun, zum 70. Geburtstag ihres Vaters, kehrt sie zurück, und die Dorfbewohner kleben mit unsicherem Blick an ihr und sehen so etwas wie einen Marsmenschen: stets in existentialistisches Schwarz gekleidet, ein Männer-Auto fahrend, und selbst Mias Sprache scheint nicht mehr die gleiche zu sein. Ihre älteren Schwestern sind so unterschiedlich wie nur möglich, da scheint jede Verwandtschaft nur behauptet: Ewa, die belehrende Mutterglucke par excellence, notorisch besserwissend und Nase rümpfend, während die älteste Schwester, die schrille Gunilla, einen Angriff auf ihre freiheitliche Lebensweise forsch damit verteidigt, daß sie sich sehr gern und von ihr aus täglich von Jungmannen verführen, vögeln und benutzen ließe - wenn’s nur immer so schön wäre wie jüngst auf Bali.

Ein bittersüßes Vergnügen ist diese schwer sympathische Geschichte um geschwisterliche Mißgunst, um das Minderwertigkeitsgefühl, jenseits der 30 allein oder schlimmer noch bei Muttern zu leben, um emotionale Verkrampfungen, die natürlich entstehen, wenn mit drei Geschwistern auch drei völlig autarke Persönlichkeiten nach längerer Abwesenheit aufeinanderprallen.

Trotz aller anrührenden Melancholie bekennt sich Regisseurin Blom zu einem klaren Ja! zum Leben, selbst wenn dessen Schönheit oft unter einer häßlichen Giftdecke schlummert. Dort wo Familienkonflikte wie beispielsweise bei Kusturica nimmermüde durch dauermusizierende, schnapsselige Rauhbeine weggeblasen werden, da ist Bloms Familienfeier doch in manchen Momenten Vinterbergs FEST näher, wenn auch weitaus freundlicher. Oft setzt Blom auf Gesichter, denen man trotz aller Ängste, Zweifel und Sorgen auch immer wieder die bedingungslose Lust am Leben ansieht.

Auf der Feier des Vaters eskalieren die Anspannungen, aus der Geburtstagsparty wird ein galliger Reigen aus Vorwürfen, Bekenntnissen, zerplatzten Träumen. Als Fazit sind schließlich diverse Befreiungsschläge, ein Infarkt, ein vereitelter Selbstmord und eine erschossene Katze zu verbuchen. Und die verblüffend frische Kinogeschichte einer Heimkehr.

Originaltitel: MASJÄVLAR

S 2004, 95 min
Verleih: Kool

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Sofia Helin, Kajsa Ernst, Joakim Lindblad

Regie: Maria Blom

Kinostart: 09.02.06

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.