Thomas Assheuer (Hrsg.), 224 S., Alexander Verlag Berlin, 14,90 EUR

Michael Haneke

[ 02.04.2010 ] Michael Haneke hilft nicht beim Interpretieren seiner Filme. Das erfährt auch der Filmjournalist Thomas Assheuer, der Haneke mehrere Tage in 2007 interviewte, ein Buch daraus machte, das nun mit einem DAS WEISSE BAND-Nachtrag in dieser Neuauflage begeistert. Und so ein intensives Gespräch mit Haneke kann nur so werden, wie Hanekes Filme es selbst sind: hochspannend, klug, irritierend und streitbar. Klugheit ist im Übrigen nicht nur dem Gefragten, sondern auch dem Fragesteller zu attestieren. Wodurch sich das vorliegende Buch immer weiter von der klassischen Interviewsituation entfernt und den – man darf das schon sagen – Charakter eines echten literarischen Gesprächs annimmt.

Haneke spult keine in vergleichbaren Situationen x-fach geäußerten Festplattensätze runter, Assheuer begnügt sich nicht mit der Rolle des monotonen Stichwortlieferanten. Und da ein Interviewbuch kein biographisches Werk sein soll, sind die Einsprengsel von Hanekes Anfängen als Provinztheater-Regisseur und Fernsehmacher knapp bemessen, ebenso die Erinnerungen, wie er zum Kino fand, oder besser, wie er sich als Bube davor fürchtete – durch Laurence Oliviers Spiel als Hamlet. Memorierende Verklärung ist daher nicht anzutreffen. Dafür eine ungemein geschliffene Sprache, eine lebendige zudem, man spürt regelrecht die Atmosphäre des Gesprächs, man fühlt förmlich die räumliche Präsenz Hanekes. Er bezeichnet sich selbst als Frauenregisseur und ist dabei nicht einmal bescheiden. Er sagt von sich, daß die Schauspieler ihn lieben – kein Wunder, behandelt er sie doch als die Ingredienz eines jeden Films. Wenn man da die Aussage Catherine Breillats erinnert, nach der Schauspieler für sie nicht mehr als nur formbares Material sind ...

Es ist purer Hochgenuß, Hanekes Erläuterungen zu folgen, wenn er etwa von der Geographie eines Schauspielers spricht, wenn er mit fundiertem Wissen zu Psychologie, Pädagogik und der Crux des Atavismus aufwartet. Und wenn er sich sehr offen zeigt! Ja, der gleiche Haneke, der so ungern über eigene Gefühle spricht, sagt ungeniert, daß man nur ernstzunehmender Künstler (ohne sich selbst so nennen zu wollen) sein kann, wenn man verletzt ist, wenn man Wut und Empörung spürt. Ein Filmemacher hat doch immer etwas zu kompensieren, so Haneke.

Spaß macht auch das im Buch pointiert eingesetzte Mittel der Polemik, etwa wenn Haneke die Kinobegeisterung Frankreichs mit der Sachlage Deutschlands vergleicht, wo Politiker selbst dann noch Stimmen gewinnen, wenn sie Mittel für Kultur streichen. Dergleichen sei undenkbar in der Grande Nation! In diese Wunde stochert Haneke auch mit seinen Äußerungen, daß ihm vor allem das Verständnis von Film als Ware ein Greuel ist. Was dabei herauskommt, bezeichnet er als „schielende Filme!“ Ein beeindruckender Dialog – akribisch, virtuos, geistesscharf. Unbedingt lesen!

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.