Österreich/Luxemburg/D 2014, 96 min
FSK 6
Verleih: Neue Visionen

Genre: Biographie, Drama, Historie

Darsteller: Birte Schnöink, Christian Friedel, Sandra Hüller

Regie: Jessica Hausner

Kinostart: 22.01.15

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Amour fou

„Mir ist auf Erden nicht zu helfen“

Es ist nichts Verrücktes zu finden in der Liebe der Figuren, die Jessica Hausner in ihren puppenstubenartigen Arrangements zusammenpfercht – wenn man verrückt mit passioniert, leidenschaftlich übersetzt. Verrückt im Sinne von aus der Zeit gefallen oder anders aufgestellt. Gut, ein bißchen verschroben wirken sie schon, wie sie da alle so sitzen und der Hausmusik lauschen im Berlin zur Zeit der Romantik. Familie Vogel hat geladen. Man lauscht dem Gesang, spricht über die umstrittene Steuer für alle Stände. Es erscheint ein junger Dichter, der Interesse an Henriette, der Ehegattin des Hauses, findet. Er entdeckt in ihr ein Geschöpf, wie er selbst eines ist, „ ... das nichts liebt und von niemandem geliebt wird“, wie er ihr später offenbart. Und da seine angebetete Cousine Marie nicht willens ist, der schnöden Welt mit ihm gemeinsam zu entfliehen, hofft Heinrich in Henriette eine Partnerin fürs Sterben gefunden zu haben.

Die Bühnen, die Hausner für ihre Bilder wählt, orientieren sich am historischen Vorbild, die Dialoge ebenso, aber die Verrückungen sind es, die deutlich machen, daß die Regisseurin hier kein Historiendrama um Kleists Suizid geben will, sondern daß es ihr um etwas anderes geht. Aber auch das gibt Hausner nur in Nuancen preis, so daß man sich manchmal schon abwenden möchte vom stocksteifen Marionettenspiel ihrer Protagonisten, die kaum miteinander agieren. Es sind die winklig arrangierten Betten im Schlafgemach der Vogels und lapidar dahergesagte Sätze, die einem ein Grinsen auf die Lippen zaubern. Wohl wissend, daß dies weder passend noch im Kontext der Geschichte für irgend jemanden lustig ist. Aber ein Spaß ist die menschliche Existenz an sich mitnichten, vor allem für eine Ehefrau. Heinrich, der sensible, an der Welt leidende Künstler, liebt nur die Vorstellung, daß sich eine Frau aus Liebe für ihn opfert, nicht die Frau an sich. Und als Henriette mit ihm in den Tod gehen möchte, weil man bei ihr eine tödliche Geschwulst diagnostiziert, dann ist ihm das nicht Opfer genug.

Immerhin bedeutet die Todesweihe für Henriette einen Zuwachs an Erkenntnis, die sie aus der hermetischen Welt ihres Hauses heraustreten läßt. Nur, um dann umsonst erschossen worden zu sein, handelte es sich bei der unheilbaren Krankheit, nach Ergebnis der Obduktion, doch nicht um eine bösartige Geschwulst, sondern um eine Krankheit seelischer Natur – ein „Frauenleiden.“ So verdreht sich Hausners boshafte Ode an die Romantik am Ende in eine feministische Parabel. Eine zeitlose, kann man sagen.

[ Susanne Schulz ]