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Die Liebe zum Schrott und andere Leidenschaften

Ein Blick gen Osten

Leipzig hat den Osten. Und der Leipziger Osten braucht vielleicht mehr als jeder andere Stadtteil einen Film, um von all denen gesehen zu werden, die nicht dort leben. Gerade in Leipzig. Mit der LIEBE ZUM SCHROTT UND ANDEREN LEIDENSCHAFTEN ist ein solcher Film entstanden - ein Film, der nicht unbedingt mit den Vorurteilen einem Stadtteil gegenüber aufräumt, diesen aber auch im Umbruch zeigt und damit für eine Entwicklung plädiert.

Der Blick von HTWK-Professor Bernhard Wutka und Kameramann Thomas Doberitzsch selbst ist nicht historisch, die Geschichte des Ostens wird in Gesprächen nur gestreift. Der Zuschauer mag erfahren, daß schon Goethe in den Kohlgärten gesichtet wurde oder die Eisenbahnstraße "damals" eine wichtige Einkaufsmeile war, "wo man alles bekam". Hauptaugenmerk des Films aber sind die Menschen, und die zahlreichen Gespräche mit ihnen drehen sich nicht so sehr um das was war, sondern um das was ist. Begegnungen, wie die mit "Messer-Müller", der sich in einer Händlergemeinschaft engagiert, die in multikultureller Nachbarschaft "deutsch" ist und sich den Optimismus auf die Fahnen geschrieben hat, Gespräche mit den Palästinensern im Lokal "Arabisk" und den indischen Sikh, lassen die lokalen Probleme stark hervortreten.

Die Ein-Mann-Agentur "Reisevogel" dagegen kommt skurril daher, und es gibt sehr persönliche Geschichten, wie die des Schrottsammlers Werner Seifert. Von Aufbruch und Risikobereitschaft spricht ein Künstler, der Häuser bunt bemalt. Der Galerie-Hotelier lobt die gute Infrastruktur und präsentiert Zukunftspläne. Nebenan ziehen die Streetworker durch den Abriß, auf den Spuren ihrer unsichtbaren Klientel, den Fixern - der Film ist nah dran an den verschiedenen Lebensrealitäten. Was den Osten ausmacht, wird begreifbar anhand der Menschen, die dort wohnen - Menschen, die gerne dort wohnen und andere, die nur bleiben, weil sie nicht weg können oder es nicht besser wissen.

Individualität findet sich dabei nicht nur in Gesprächen, sondern auch in den Bildern Thomas Doberitzschs, die dokumentarisch genau, auch poetisch und manchmal verspielt sind.

D 2002, 80 min
Verleih: Eigenverleih

Genre: Dokumentation

Regie: Bernhard Wutka, K: Thomas Doberitzsch

Kinostart: 16.01.03

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.