Originaltitel: FINAL PORTRAIT

F/GB 2017, 90 min
FSK 0
Verleih: Prokino

Genre: Biographie, Drama

Darsteller: Geoffrey Rush, Armie Hammer, Tony Shalhoub, Sylvie Testud, Clémence Poésy

Stab:
Regie: Stanley Tucci
Drehbuch: Stanley Tucci

Kinostart: 03.08.17

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Final Portrait

Die Mücke und der Elefant

Und wenn sie nicht gestorben wären, dann säßen sie noch heute. 1964 nimmt der amerikanische Romancier James Lord in Alberto Giacomettis Pariser Atelier Platz, um sich porträtieren zu lassen. Gern kommt Lord diesem Wunsch des väterlichen Freundes nach. Denn was sind schon ein paar Stunden Lebenszeit, wenn man sich in das Œuvre jenes vom Kunstbetrieb hofierten Maestros einzuschreiben vermag?! Aus Stunden werden Tage, Wochen – und der kleine Freundschaftsdienst gerät zur monumentalen Geduldsprobe. Nicht nur, weil Lord beständig seine Heimflüge umbuchen muß, sondern weil er tiefere Einblicke in Giacomettis zur Selbstauslöschung tendierende Arbeitsweise erhält, als seinem Sitzfleisch lieb sein kann.

Überliefert ist die kunsthistorische Marginalie in Lords Memoiren, die Stanley Tucci, einen erklärten Giacometti-Fan, zu diesem Spielfilm inspirierten. „Ich mache mir nichts aus Biopics“, läßt sich Tucci angelegentlich seiner nunmehr fünften Regiearbeit zitieren – und will (oder kann) die eigene Sozialisation in der Schauspielerei nicht verleugnen. Der US-amerikanische Komödiant und Manchmal-Regisseur liebt die – was sonst – Komödie. Das zeigt sich in seiner Konzentration auf das schrullige, kammerspielhafte, ja dem Vaudeville verhaftete Potential der (halbwegs) verbürgten Geschichte. Und er liebt das über jedes Biographisch-Faktische hinausgreifende Extemporieren der Schauspielkollegen. Auch um den Preis, sich in den Winkeln dieser filmisch „rekonstruierten“ Atelier-Situation festquatschen zu lassen.

So ist die weniger der historischen Zeit als vielmehr einem verallgemeinerbaren Zeitgeist verpflichtete Filmbühne, die Tucci aufbaut, zunächst einmal eine für Hauptdarsteller Geoffrey Rush. Und der weiß, wie man sie nutzen kann – mit einer Exzentrik am Rande zur Karikatur, mit einer charakterlichen Versatilität im Grenzbereich zur Satire. Drumherum entspinnen sich Leben, Lieben, Launen und Leiden. Dramaturgische Fallhöhe ist die zur individuellen Tragödie aufgeblasene Diskrepanz zwischen Mücke und Elefant, zwischen ungeduldigem Modell und mit sich selbst haderndem Porträtisten, durchaus im Dialog mit Giacomettis plastischen Arbeiten, die stets mit ihrem (Größen-)Verhältnis zur Welt zu ringen scheinen. In dieser auf ein paar Wochen heruntergebrochenen Verhältnisgleichung sitzt auch das Publikum einigermaßen bequem.

[ Sylvia Görke ]