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Hinter der Tür

Staubwedel, Hexenbesen, Kratzbürste

Wo sich Biographie und Weltgeschichte treffen, findet der ungarische Regisseur István Szabó seit Jahrzehnten seine filmischen Heimaten. Wie so oft wandelt er auf dem poetisch vorgepflügten Boden einer literarischen Vorlage. In diesem Fall stammt sie von der Landsmännin Magda Szabó und erzählt, autobiographisch gefärbt, von einem Dienstverhältnis, in dem sich Weisungsbefugnisse und eilfertige Demut auf seltsame Weise neu verteilen.

In den 60er Jahren ziehen die Schriftstellerin Magda und ihr Mann von Budapest aus ins Ländliche. Die aparte Großstädterin, zunehmend erfolgreich mit ihrer Kunst, benötigt Hilfe im Haushalt. Doch die ältliche Emerenc heuert man nicht einfach so an. Nein, sie kommt vorbei – wenn es paßt. Als sie schließlich zusagt, ist Magda nicht sicher, ob sie sich glücklich schätzen darf. Denn Emerenc betritt das Haus nach Sachlage, auch nachts. Als sie sich zu einer gewissen Zuneigung für die Herrschaften entschließt, markiert sie das Revier ihrer Sympathie ungefragt mit Zuwendungen, zum Beispiel einem Porzellanhündchen. Ob das einigermaßen peinliche Präsent aber Zeugnis ihres ureigenen Dekorationsgeschmacks ist, läßt sich nicht klären. Denn noch nie hat sie jemandem erlaubt, ihr bescheidenes Heim zu betreten. Die Tür bleibt zu!

Es fällt István Szabó nicht ein, diesen schroffen Charakter seiner Rätselhaftigkeit durch platte Psychologie zu entheben. Vielmehr läßt er ihn in seiner Unberechenbarkeit funkeln, arbeitet mit Schwarzblenden und Auslassungen, um den Schlaglöchern, die Verlust und Mißtrauen in diesem Gemüt hinterließen, die Ehre zu geben, manchmal in aschfarbigen Erinnerungsbildern. Emerenc beim Straßenfegen, umwirbelt von Hitze oder Schnee, Emerenc beim Wüten, beim Schmollen. Dieses Psychogramm kann und will wohl gar nicht anders als sprunghaft sein. Im Gegensatz zu seiner grantigen Hauptfigur übergibt Szabó das Haus allerdings nicht ganz besenrein: Das Epochenkolorit bleibt ein wenig unbestimmt, das Farb- und Formenvokabular ein wenig unspezifisch. Und doch entsteht das Gefühl für eine bleierne Zeit: Reste einer lässigen Großbürgerlichkeit aus Vorkriegsjahren treffen auf Überbleibsel einer steinalten bäuerlich-ruppigen Dienstbarkeit.

Originaltitel: AZ AJTÓ

D/Ungarn 2011, 101 min
FSK 12
Verleih: Piffl

Genre: Drama, Literaturverfilmung

Darsteller: Helen Mirren, Martina Gedeck, Károly Eperjes, Gábor Koncz, Enikő Börcsök, Erika Marozsán

Regie: István Szabó

Kinostart: 05.04.12

[ Sylvia Görke ]