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Mein Bruder, der Vampir

Mein Stiefbruder, der deutsche Film

Die Idee an sich ist gar nicht schlecht. Drei Geschwister: Mike, der mittlere Bruder, ist ungeschickt verliebt in Nadine, die kleine Schwester Nic, schwer pubertär und von einer bedrohlichen Liebesschläue beseelt, und nun Josch, der Große im Bunde, geht auf die 30 zu, ist geistig behindert und spukt immer mal als Fürst der Finsternis durch die Gänge. Diese Konstellation soll sicherlich Leichtigkeit und frechen Witz suggerieren, was aber gehörig ins Höschen geht, denn unsere Filmemacher begnügen sich nur in sehr wenigen Ausnahmen mit dem Erzählen einer recht reizenden Geschichte. Nein, da muß Kino auch noch so ein bißchen als Sozialstunde herhalten.

Es kommt also so, daß Josch zwar behindert aber dennoch juckig ist und sich daher sehnlichst wünscht, wenigstens einmal zu vögeln. Das versteht Mike nur zu gut. Der Spaß hört für ihn allerdings auf, als sich Josch in Nadine verguckt. Da muß Hilfe her, und die findet man in einer Wagenkolonie am Stadtrand, wo es sich die Nutten und Zuhälter derart gemütlich gemacht haben, daß man schlagartig das Milieu wechseln möchte. Huhu, Herr Taddicken: wir erwarten keine grobkörnige 1:1-Wirklichkeit, aber so eine anheimelnd knisternde Ludenstubenromantik nun auch wieder nicht. Irgendwann kreuzt dann auch noch eine Spielplatzbande auf, in dessen Boß sich Nic verliebt und an den sie ihre Jungfräulichkeit verschleudern möchte. Ja, klingt irgendwie blöd, isses auch.

Warum sind wir Deutschen nur so? Ist dieses Abkommen vom stringenten Fabulieren, dieses Mißtrauen in unseren Erfolg etwa Ausdruck dessen, daß wir nicht glaubwürdig erzählen können, da es uns einfach noch zu gut geht? Verschleiern Fördergelder den Blick für’s Wesentliche? Genießen etwa Fernsehleute in ihren durchgeheizten Redaktionsstuben alleinige Entscheidungsautonomie? Oder brauchen wir diese poltrigen Sozialkonstrukte, um zu beweisen: Ja! Wir wissen wie’s da draußen lodert!?

Selbst die Mimen sind mit so viel pädagogischer Verantwortung überfordert. Roman Knizka als Josch agiert, als gäbe es in sämtlichen Kinos noch plüschige Hinterränge. Vermutlich hat er aber - so zum Warmmachen - einfach zu viel RAIN MAN geschaut. Ich weiß es nicht. Daher schweige ich nun und konstatiere traurig: Wir haben ein Problem.

D 2001, 89 min
Verleih: Pegasos

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Roman Knizka, Alexander Scheer

Regie: Sven Taddicken

Kinostart: 26.09.02

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.