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Bedingungslos

Wenn der Traum zum Alptraum wird

Hand aufs Herz: Wer wäre nicht gern mal jemand anderer, würde seinen Zwängen entfliehen, vielleicht sogar ganz neu anfangen?! Jonas jedenfalls träumt insgeheim davon, obwohl er über eine intakte Familie sowie einen ungewöhnlichen, aber dennoch recht gewinnbringenden Job verfügt. Und seine Chance soll kommen – selbstredend in Gestalt einer Frau. Diese heißt Julia und fällt einem grandios gefilmten Autounfall zum Opfer. Jonas ist zufällig zur Stelle, bringt sie ins Hospital. Julias Familie hält ihn für ihren Freund Sebastian, Jonas kann den Irrtum nicht aufklären, später kommt egoistischer Unwille dazu. Auch Julia selbst, unter temporärer Amnesie leidend und fast völlig erblindet, glaubt daran, Sebastian vor sich zu haben.

Bis dato wohnt man einer genau beobachteten Psychostudie bei, doch flackerndes Licht im kargen Krankenhausflur oder das Auftauchen eines vermummten Rollstuhlfahrers ebnen den Weg hin zum Krimi. Und Moment! Haben wir nicht schon zu Beginn gesehen, wie Sebastian von Julia erschossen wurde? Weitere Rückblenden folgen, die junge Frau erinnert sich langsam, macht rätselhafte Andeutungen. Jonas dagegen ist nun voll entflammt, was dem Familienglück kaum zuträglich sein kann. So zieht sich die Spannungsschraube stetig fester an, neue Puzzleteile tauchen auf, um an den – vermeintlich – richtigen Platz gesetzt zu werden, während Jonas nach eigener Aussage immer mehr verschwindet.

Daß der letztlich dann doch relativ simpel konstruierte Plot derartige Faszination atmet, darf man Regie und Buch hoch anrechnen, außerdem erhöht neben surrealen Bildern ein schweißtreibender Soundtrack den Im-Kinosessel-Herumrutschfaktor. Minimale Mittel, maximaler Effekt. Die letzte halbe Stunde gleicht schließlich einem nicht enden wollenden Finstermärchen. Mittlerweile hat BEDINGUNGSLOS ohne Mühe den Bogen zum Kammerspiel geschlagen und hetzt die bereits arg gebeutelten Protagonisten inklusive vertauschter Identitäten oder Anleihen beim „Orpheus und Eurydike“-Motiv in der Einsamkeit einer Strandhütte endgültig frontal aufeinander.

Da geht es teilweise auch relativ brutal zu, und im Finale dieses laut Originaltitel „Liebesfilms“ hat jeder verloren – das Leben oder alles sonst. Die dänische Kinoindustrie dagegen verbucht einen klaren Sieg: Sie zeigt nicht bloß ihren Hollywood-Kollegen, wie man atemberaubende Thriller dreht.

Originaltitel: KÆRLIGHED PÅ FILM

DK 2007, 99 min
Verleih: MFA

Genre: Thriller, Liebe

Darsteller: Anders W. Berthelsen, Rebecka Hemse, Nikolaj Lie Kaas, Charlotte Fich, Dejan Cukic

Stab:
Regie: Ole Bornedal
Drehbuch: Ole Bornedal

Kinostart: 30.04.09

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...