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Das Lied in mir

Brillant besetztes Familiendrama

Leicht macht es einem das junge deutsche Kino wahrlich nicht immer. Mal zu strebsam skurril, dann krampfig verkopft oder ziellos spinnert, und manchmal eben nicht mal irgendwas davon. Ab und an aber klappt es ganz gut, dann besticht der Nachwuchs durch ein originelles und tiefberührendes Werk. Mindestens das ist Florian Cossen hier gelungen. Und er hätte es sich bequemer machen können, indem er einmal mehr sattsam bekannte Haustür-Betulichkeiten neu aufschüttelt. Er aber hat die Taschen gepackt, raus aus den heimischen Gefilden führt seine Geschichte nach Südamerika, das spiegelt sich auch in der Form wider.

Kaum befindet sich Maria in Argentinien, ändert sich die Körnigkeit, der Rhythmus wird ein ganz anderer, das Licht viel wärmer. Auch wenn erst einmal die Tränen auf dem kaltblauen Flughafen in Buenos Aires fließen, da Maria ein Lied hört, dessen Melodie sie erkennt, dessen Text sie erinnert, das sie aber noch nicht zuordnen kann. Ein Lied, das ihr regelrecht zusetzt. Ihrem Vater erzählt sie am Telefon davon, so bricht sich ein Stück Wahrheit den Weg, Anton sitzt bald im Flieger, eine Reise gegen das Lügen und die eigene Feigheit. Er hat Maria im Alter von drei Jahren adoptiert, als ihre Eltern wie viele Unbequeme vom argentinischen Militär verschleppt wurden. Erzählt hat Anton der mittlerweile 30jährigen nie davon. In einer Mischung aus Verzweiflung, Enttäuschung und Wut macht sich Maria auf, ihre richtige Familie zu finden ...

Ein Familiendrama von einiger Dimension, was aber von Cossen einzig richtig erzählt wird – intim. Hier kann es nicht um Emotionsbombast unter Soundteppichen gehen, denn hier wurde eine noch junge Biographie mit einer Lebenslüge verklebt, so etwas muß man behutsam erzählen. Und das kann der Debütant, auch wenn manche Vereinfachung recht grobgeschnitzt aufblitzt, was aber nichts macht, da Cossen sich in jedem Fall auf eine fabelhafte Hauptdarstellerin verlassen kann. Jessica Schwarz sorgt mit ihrem Spiel für Rührung, gerade in den Momenten, wenn sie mit ihrer Familie das Wiedersehen feiert, wenn sie all die Wut gegen den – toll gespielt von einem so gar nicht polternden Gwisdek – Vater richtet, wenn sie ein kleines Stück Kindheit nachholen will und wenn sie sich – charmant eingebunden – in einen Polizisten verliebt.

Abgesehen von einigen Formspielereien und einer gewissen Perspektivenverliebtheit erinnert der Film durchaus in manchen Momenten an Hans Christian Schmids LICHTER oder Filme von Michael Winterbottom. Das ist nicht wenig.

D 2010, 95 min
FSK 12
Verleih: Schwarzweiß

Genre: Drama

Darsteller: Jessica Schwarz, Michael Gwisdek

Regie: Florian Cossen

Kinostart: 10.02.11

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.