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Der blinde Fleck

Geschichte, die sich wiederholt

So etwas gibt’s leider viel zu selten – mit ruhiger Hand erzähltes Hochspannungskino von Zuhause! Ein nüchterner, bestens austarierter Thriller mit Sogwirkung, skurrilen Typen und jeder Menge Ungereimtheiten, Ausblendungen und Hasenhaken, die den Zuschauer in Spannung halten. Und nein, der Vergleich mit mancher Regiearbeit George Clooneys inkl. Retro-Schick, dauerqualmender Melville-Typen, zuckender Mundwinkel und bebender Männerstirnen, der ist nicht zu hoch angesetzt, wenn man diese Aufdeckungsgeschichte beschreiben darf.

Am Anfang war ein Knall: Ein Attentat, mitten auf dem Oktoberfest im September 1980, 13 Tote und mehr als 200 Verletzte. Und dazu jede Menge Schlamperei – in den Ermittlungen, der medialen Berichterstattung, ein Bauernopfer muß rasch her, es herrscht Wahlkampf in Bayern. Doch einer frißt sich fest, er sieht Widersprüche, die das Agieren eines verblendeten Einzeltäters eindeutig negieren, er legt sich mit dem Verfassungsschutz an, der längst an seiner ganz eigenen Wahrheit bastelt: Ulrich Chaussy, Journalist vom Bayerischen Rundfunk. Für ihn wird der Oktoberfestanschlag zur Lebensaufgabe.

Chaussy, der von einem formidabel, in lauernder Zurückhaltung spielenden Benno Fürmann gegeben wird, recherchiert, deckt auf, bleibt dran und sieht sich oft genug ohnmächtig in diesem Geflecht aus verlogener Politik, korruptem Staatsdienst und einer perfiden Absprache zwischen „Presse“ und Polizei. Chronologisch wird von einer der schlimmsten Attacken auf deutschem Boden erzählt, und zwar ohne die billige Effektmeierei, die im TV gern mal als Spannungselement vertickert wird. Wie nebenher taugt die sich tatsächlich zugetragene, fürs Kino ein wenig fiktionalisierte Geschichte als Vorbote auf die perfiden Schlampereien und das menschenverachtende Abducken im Zuge des NSU-Skandals. Daniel Harrich schuf dabei eher ein Zeitdokument mit Noir-Touch als belehrende Geschichtsstunde, selbst wenn die Erkenntnis mitschwingt: Es ändert sich irgendwie nichts.

Und Harrich verklärt auch seine Hauptfigur nicht: Denn selbst wenn Chaussy zweifellos mutig agiert, ganz selbstlos tut er dies gewiß nicht. Diese Kantigkeit steht dem feinen Film sehr gut, und zudem begibt man sich auf eine Reise in die sprachlichen Abgründe korrumpierbarer Boulevardjournalisten, von denen einer, als es eng wird, nach eigener Aussage sich so fühlt: „Mir kocht ganz schön das Arschwasser!“

D 2013, 90 min
FSK 12
Verleih: Ascot

Genre: Drama, Polit

Darsteller: Benno Fürmann, Heiner Lauterbach, Nicolette Krebitz, August Zirner, Udo Wachtveitl, Jörg Hartmann, Miroslav Nemec

Regie: Daniel Harrich

Kinostart: 23.01.14

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.