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Der Wind zieht seinen Weg

Unterhaltsam-kritischer Independent-Heimatfilm

Der frühere Lehrer Philippe Héraud sucht mit seiner Familie einen neuen Anfang, und der Wunsch, ein Leben im Einklang mit der Natur zu führen, scheint in Chersogno, einem abgelegenen Dorf in der Bergwelt der italienischen Alpen, der Erfüllung nahe. Die überwiegend älteren Einheimischen begegnen dem Franzosen zunächst mißtrauisch, sie sind Sommer-Touristen gewöhnt, aber ungeübt darin, Neulinge in ihre Gemeinschaft aufzunehmen. Schließlich gewinnt die Einsicht Oberhand, daß das durch Abwanderung bald entvölkerte Dorf nur überleben kann, wenn es sich dem Fremden öffnet, und auch Philipps delikater Käse, den er selbst herstellt, hilft, Bedenken zu zerstreuen. Mit dem gemeinschaftlichen Ausbau eines Domizils für die Hérauds bahnen sich neue Freundschaften an, und der Einzug von Philippes Familie und seiner Ziegenherde wird vom ganzen Dorf festlich begangen. Die Stimmung aber schlägt um, als der Alltag einkehrt. Zunächst beinahe unmerklich, führen Neid, Mißtrauen und Vorurteile letztlich zu einer Situation, die das Zusammenleben auf eine harte Probe stellt.

Giorgio Diritti, in seinen beruflichen Anfängen Assistent Federico Fellinis, Mitwirkender an der Filmschule „Ipotesi Cinema“ von Ermanno Olmi und seit den 90er Jahren Autor und Regisseur zahlreicher Dokumentarfilme, gibt hier sein Spielfilmdebüt. Schauplatz und Drehort ist das Maira-Tal in den piemontesischen Alpen, wo mit dem okzitanischen Dialekt eine alte Sprachgruppe zwar noch lebendig, der Erhalt der Sprache und der kulturellen Identität aber durch die Abwanderung der jungen Leute gefährdet ist.

Das dokumentarische Interesse des Regisseurs spiegelt sich hier im thematischen Hintergrund der fiktiven Geschichte, es wirkt in den genau beobachtenden Bildern vom dörflichen Leben und nicht zuletzt als Authentisches durch die Laiendarsteller aus der Region, die alle Nebenrollen besetzen und dem unterfinanzierten Independent-Projekt zudem Requisiten zur Verfügung stellten. Dirittis Erzählung ist spannend, seine Inszenierung sicher, und subtil gerät ihm die Zeichnung der im Mikrokosmos Dorf gärenden Konflikte, denen er Bilder einer imposanten Landschaft im Wechsel der Jahreszeiten gegenüberstellt.

Entstanden ist ein unterhaltsamer und kritischer Film, ein Heimatfilm, der mal komisch, mal tragisch und in seiner gänzlich unsentimentalen Manier wiederum an die Arbeiten eines Dokumentarfilmkollegen Dirittis erinnert – an Erich Langjahr.

Originaltitel: IL VENTO FA IL SUO GIRO

I 2006, 110 min
Verleih: Kairos

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Thierry Toscan, Alessandra Agosti, Dario Anghilante

Regie: Giorgio Diritti

Kinostart: 25.06.09

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.