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Elbe

Mit dem Schiffbruch leben

Seit zwei Jahrzehnten arbeiten Gero und Kowsky für eine Reederei, doch die kündigt ihnen plötzlich und fristlos. Sie lassen sich nicht kleinkriegen und schippern auf "ihrer" Elbe stromabwärts - weg vom Gerichtsvollzieher, der Geros Segelschiff pfänden will, hin zum angeblichen Job, den Kowksy in Hamburg organisiert hat. Selbst als ihnen das Schiff genommen wird, rudern sie weiter in einem klapprigen Boot stur gen Norden. Gero bessert bei einem Landgang als Gemüseverkäufer die Reisekasse auf und verliebt sich in Ulrike. Kowsky liegen eher die Gaunerstücke, bei denen das Boot zum Fluchtfahrzeug wird, sei es nun Zechprellerei oder das lebensgefährliche Kartenduell mit Dörflern. Die Zwischenstopps fördern die Sorgen und Konflikte der Männer zu Tage. Ihre Freundschaft wird dadurch stärker. Aber nur einer wird Hamburg lebend erreichen.

Zwei Männer müssen sich nach 20 Jahren Nomadenalltag mit dem Leben befassen und ziehen sich nach ersten Anzeichen des Scheiterns wieder aufs Wasser zurück, auf jenes Terrain, das sie als eingespieltes Team versiert bezwingen können. Eine Flucht, die berührt und bewegt. Kowskys Familie hat den unberechenbaren Ehemann und Vater abgeschrieben, auch er selbst hat sich fast aufgegeben. Gero hingegen wehrt sich gegen die Stolpersteine des Schicksals. Tränentreibend ist die Szene, als er seine Tochter aufsucht, die er nur von Fotos kennt. Doch als er vor ihr steht, fehlen ihm die richtigen Worte.

Der Motor von Marco Mittelstaedts tragikomischem Flußfilm sind zweifellos seine Darsteller. Der faszinierende Henning Peker spielt Kowsky wild und lebendig, als hätte er auf diese Rolle nur gewartet. Tom Jahn verkörpert charismatisch den gewichtigen Gegenpol. Leider erschwert Mittelstaedt mit einer verschachtelten Struktur und rauher Ästhetik ein wenig den Zugang zu seiner Geschichte. Trotzdem entlockt er dem nassen Schauplatz spannende Facetten. Die Flucht vor Kowskys Kartenspielgegnern erinnert nicht zufällig an den fiesen Klassiker BEIM STERBEN IST JEDER DER ERSTE. Die Elbe ist als dritter Akteur Fluch und Segen zugleich.

Die wäßrigen Adern dieser Welt hielten schon oft als Metapher für das Leben an sich her. Glück und Gefahr warten an ungeahnten Flußbiegungen. Wer überleben will, muß mit Stromschnellen und plötzlichen Untiefen zurechtkommen. Und manchmal auch mit dem Schiffbruch.

D 2006, 92 min
Verleih: Zorro

Genre: Drama

Darsteller: Tom Jahn, Henning Peker, Steffi Kühnert, Gabriela Maria Schmeide

Regie: Marco Mittelstaedt

Kinostart: 24.05.07

[ Roman Klink ]