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Endlich Witwe

Von der komischen Schwierigkeit der Trauer

Nein, singen kann sie wirklich nicht und tut es dennoch voller Inbrunst. Da es ausgerechnet Joe Dassins formidables Chanson „Si tu n’existais pas“ ist, das sie bis zur Erschöpfung beim Strandlauf trällert, kann man sich bereits ein Bild von dieser Frau machen – bei diesem Filmtitel ohnehin. Ein Luxusweibchen, das – wie man heute so flapsig sagt – seinem Gatten, einem durchaus älteren Schönheitschirurgen, den Rücken frei hält. Das ist schon alles, was sie tut. Fast alles, Handy verstecken gehört dazu, denn Anne-Marie hat ein Geheimnis. Das heißt Leo, ein Mann, der zupacken kann, im Wortsinn. Und weil eben dieses Telefon von der Putze gefunden wird, Anne-Marie offiziell aber ohne Handy leben soll, quasi als moderne Fessel an den arbeitsamen Gatten, sind wir mittendrin, im schwierigsten Genre des Unterhaltungskinos – in einer Boulevardkomödie.

Regisseurin Isabelle Mergault ist sattelfest in ihrer Kunst, weil sie genau das präzise macht, ohne dessen ein ordentliches Lachstück aufgeschmissen wäre: stimmige Figurenzeichnung. Anne-Marie ist eine Frau in den besten Jahren und dennoch reichlich unreif. Ihren Skalpellmeister hat sie jung kennengelernt, die Kinder sind groß, sie paßt also, diese neuerliche Sehnsucht am Austoben, am Zerwühlen fremder Laken. Da kann am Ende auch die Trauer nicht wirklich groß sein, als die traurige Botschaft eintrifft: Gilbert ist verunglückt. Wenn man aber ganz genau hinhört, ist Anne-Marie nicht die Einzige, der das Weinen reichlich schwer fällt. Da der hochfrisierte Rassepudel neben Herrchen auf dem Beifahrersitz hockte, kommt der schmallippigen Putze, eine im Übrigen ebenso wunderbar gezeichnete Figur, allenfalls das sorgenvolle „Et le chien?“ über die Lippen. Der Weg wäre also frei, für immer in die Arme ihres virilen Leo. Doch wie gesagt, wir sind in einer Boulevardkomödie, und daher steht eine komplette Verwandtschaft parat, die von der frischgebackenen Witwe nur das ganz Gewöhnliche erwartet: keusche Trauer. Mit Anne-Marie nicht zu machen ...

Es ist erfrischend, reichlich unverschämt und naturgemäß auch recht albern, wie Mergault ihre Heldin straucheln, strampeln und sich den Weg freischaufeln läßt. Ein ganzes Kabinett skurriler Figuren wird ihr da an die Seite gestellt, allen voran ein derart nervender und seiner Mutter tröstend auf den Pelz rückender Sohn, daß man ihm von Beginn an das Schicksal seines Vaters wünscht. Natürlich – wie in jeder guten Komödie – gibt es auch ernste Einsprengsel, so kriegt die Beziehung zu Leo Risse, weil Anne-Marie einfach mit ihrer Angst vor Selbstbestimmung nicht in die Gänge kommt.

Originaltitel: ENFIN VEUVE

F 2008, 97 min
FSK 12
Verleih: Alamode

Genre: Komödie

Darsteller: Michèle Laroque, Jacques Gamblin

Regie: Isabelle Mergault

Kinostart: 05.02.09

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.