D 2001, 85 min
Verleih: Constantin

Genre: Drama, Schicksal

Darsteller: Mario Adorf, Bruno Ganz, Otto Tausig, Günter Lamprecht, Annie Girardot, Nina Hoss

Regie: Urs Egger

Kinostart: 07.11.02

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Epsteins Nacht

Ergreifendes Kammerspiel um ruhelose Vergangenheiten

Als Epstein zu Hause eintrifft, steht eine alte Frau in der Tür, die auf seine grobe Frage, wer sie sei, antwortet: "Hannah Liebermann." Epstein weiß mit diesem Namen nicht sofort etwas anzufangen, doch dann kommt die Vergangenheit zurück, zeigt ihm Adam, der ständig eine Taschenlampe bei sich trug, weil er panische Angst vor der Dunkelheit hatte. Karl, erfolgreicher Anwalt; er konnte Dinge, derer er sich nicht erinnern wollte, einfach ausblenden. Und natürlich Hannah. Jeder von ihnen jüdischer Abstammung. Sie alle überlebten irgendwie das Konzentrationslager Birkenau, physisch zumindest.

Epsteins Gedanken schweifen weiter. Vor nunmehr 15 Jahren ist es gewesen, da glaubte er während des weihnachtlichen Gottesdienstes im Priester den SS-Hauptsturmführer Giesser zu erkennen. Gewißheit mußte erlangt werden, und so besuchten die Freunde am nächsten Tag erneut die Kirche. Was Suche nach Wahrheit sein sollte, wurde zur brutalen Konfrontation mit persönlicher Schuld – für die es einen hohen Preis zu zahlen galt ...

Der schnörkellosen Inszenierung erwächst eine beklemmend intensive Atmosphäre, welcher nicht einmal die auch in vielen extrem stillen Szenen penetrant dudelnde Musiksoße wirklich Abbruch tut. Dazu liefert das gesamte Ensemble atemberaubende Leistungen; gerade Mario Adorf und Annie Girardot gelingt es, sich selbst zu übertreffen, unglaubliche darstellerische Dimensionen auszuloten. In zerfurchten Gesichtern spiegelt sich mißtrauische Distanz, tiefe Trauer spricht aus wissenden Augen, die Lippen beben. Plötzlich ein fast ängstliches Lächeln, Ausdruck vorsichtiger Freude, leiser Hoffnung. Unvermittelt blitzende Tränen der übermächtigen Reue. Tröstende Hände auf dem Arm des jeweils anderen – man hat endlich Frieden gefunden, verabschiedet sich für immer.

Zwei Kämpfernaturen am Ende ihres von Schmerz geprägten Lebens, zwei Schauspiel-Giganten, welche dem Zuschauer mit Blicken das Herz zerreißen können, zwei einsam leuchtende Sterne, um die Epsteins Nacht erfüllende Finsternis zu erhellen, zwei Gründe unter vielen, sich dieses außergewöhnliche cineastische Erlebnis nicht entgehen zu lassen.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...