Österreich/D 2016, 95 min
FSK 0
Verleih: Oval

Genre: Dokumentation

Regie: Christian Tod

Kinostart: 01.02.18

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Free Lunch Society

Verrückte Idee oder Weg zur Freiheit?

Es überrascht, daß Christian Tods FREE LUNCH SOCIETY der weltweit erste Kinofilm über das Bedingungslose Grundeinkommen sein soll. Schließlich ist das Thema seit der Schweizer Volksabstimmung 2016 und den zahlreichen Talkshowauftritten des Drogeriemarktbesitzers und Grundeinkommen-Vordenkers Götz Werner in aller Munde. Stellt sich also die Frage nach dem cineastischen Mehrwert des Dokumentarfilms gegenüber den unzähligen TV-Reportagen und Artikeln.

Tatsächlich ist dieser beträchtlich. Zunächst einmal durch den fundierten wissenschaftlichen Hintergrund, den Regisseur Christian Tod, der als Volkswirt bereits seit Jahren zum Thema forscht, einbringt. Glücklicherweise beschränkt er sich nicht darauf, den Forschungsstand wiederzugeben, sondern würzt seinen Film mit einer gehörigen Portion audiovisueller Anarchie und einer großen Stimmenvielfalt. Zu Wort kommen auch Politiker und Aktivisten bis hin zum philosophierenden New Yorker Taxifahrer Sal. Sie alle beleuchten die Frage nach der Verknüpfung von Geld, Macht und Freiheit aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Spannende Archivmaterialien aus den 60er Jahren zeigen, daß die Idee eines Grundeinkommens keineswegs erst im 21. Jahrhundert in Europa geboren wurde, sondern überraschenderweise ihren Ursprung im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ hat.

Gefühlsmäßig erinnert FREE LUNCH SOCIETY eher an Michael Moore als an Jürgen Habermas und ermöglicht einen leicht verständlichen Einstieg in das Thema, das aus der Nähe betrachtet immer komplexer wird. Hauptgrund dafür ist, daß sich der Film nicht mit ökonomischen Rechenbeispielen aufhält, sondern stattdessen lieber danach fragt, welche Auswirkungen eine gesicherte materielle Existenz auf das individuelle (und damit wieder das soziale) Leben hätte. In dieser Zukunftszuwendung liegt die Stärke des Films, der die Zuschauer herausfordert, vermeintliche persönliche und politische Gewißheiten zu hinterfragen. Gerahmt wird der Dokumentarfilm mit einer STAR TREK-Szene, in der Captain Jean-Luc Picard im 24. Jahrtausend einem Gast aus der (damaligen) Gegenwart empfiehlt, sich statt aufs Geldverdienen doch lieber darauf zu konzentrieren, zu einem besseren Menschen zu werden. Durch Einschübe wie diese bekommt FREE LUNCH SOCIETY genau die leichte Note, die manch’ anderem Dokumentarfilm aus der Weltverbesserer-Abteilung abgeht.

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.