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In Berlin

Die Entdeckung der Langsamkeit in Deutschlands einziger Weltstadt

Das kann man drehen und wenden, wie man will. Da kann man alle provinzstädtischen Ressentiments auffahren, die es so gibt und noch so oft damit ins Schwarze treffen: Berlin ist – und bleibt es wohl auch bis auf weiteres – die einzige wirkliche Weltstadt, die Deutschland zu bieten hat. Hamburg? Ist nah dran, aber letztlich zu hanseatisch steif. Frankfurt am Main? Zuckelt auch mental doch weitgehend immer noch im Äppelwoi-Expreß, Skyline hin oder her. Köln? München? Das schon zu fragen, ist lächerlich. Bleibt also Berlin. Unter den Weltstädten sicherlich eine der am wenigsten Weltstädtischen, aber genau das gereicht ihr zum Vorteil. Wie jetzt noch einmal sehr entspannt IN BERLIN zeigt.

Home Is Where The Heart Is – in all seinen erfolgreichen Jahren in den USA hat der Kameramann Michael Ballhaus wohl nicht nur einen Koffer, sondern auch immer sein Herz in Berlin gelassen. Das merkt man seiner filmischen Reminiszenz an die Hauptstadt an. Gemeinsam mit dem Regisseur Ciro Cappellari porträtiert Ballhaus Berlin, indem er schlicht und einfach 15 Berliner porträtiert. 15 verschiedene Stadtansichten also, die von Minister Franz Walter Steinmeier zum Kioskbetreiber Ercan, von Moderatorin Maybritt Illner zum Filmstudenten Hakan Savas, vom Schriftsteller Peter Schneider zum Clubbesitzer Dimitri Hegemann oder von Bürgermeister Klaus Wowereit zum Musiker Alexander Hacke reichen.

Okay, vielleicht wären ja auch acht oder zehn oder auch zwölf Personen genug gewesen, die da ihre Statements und Befindlichkeiten äußern. Ein wenig zäh wird das Ganze dann nämlich schon auf die Dauer. Auch weil allzu viel mehr an Facetten und Varianten der Stadtbetrachtung dabei eben doch nicht herauskommt. Aber wie das so ist mit der geteilten Liebe. Man hat halt gerne möglichst viele Mitliebende um sich. Und schön – auch weil so grundsympathisch – an IN BERLIN ist, wie gelassen doch das Schwärmen anmutet, wie schlendernd die Stadt erkundet wird. Und wie dabei Lust gemacht wird auf diese – abseits aller Reklameaufdringlichkeit. Kein aggressiver oder versnobter Stolz, der da nervt.

Dafür gibt’s einnehmende Selbstironie, wenn grinsend konstatiert wird, mit wieviel geruhsam Kleinstädtischem doch die Weltstadt Berlin aufwarten kann. Man schaue nur, in welch betulichem Tempo hier die Menschen über die Straßen schlappen. Und tatsächlich: Bei aller typischen Betriebsamkeit, so viel Langsamkeit wohnt keiner Metropole der Welt sonst inne.

D 2008, 96 min
FSK 0
Verleih: Farbfilm

Genre: Dokumentation

Regie: Michael Ballhaus, Ciro Cappellari

Kinostart: 11.06.09

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.