Originaltitel: SEBERG

USA 2019, 103 min
FSK 12
Verleih: Prokino

Genre: Biographie, Drama

Darsteller: Kristen Stewart, Jack O´Connell, Margaret Qualley, Vince Vaughn

Regie: Benedict Andrews

Kinostart: 17.09.20

1 Bewertung

Jean Seberg

Portioniert in Empörung und Bedrücktheit

Suizid mit „ungeklärten Fragen“ – so lautet bis heute die offizielle Todesursache für Jean Seberg. Am 30. August 1979 wurde die Schauspielerin und eins der ikonographischen Gesichter der Nouvelle Vague (AUSSER ATEM) und des Kinos überhaupt (DIE HEILIGE JOHANNA, BONJOUR TRISTESSE) tot in ihrem Auto gefunden. Zehn Tage galt Seberg da schon als vermißt. Viel länger schon als psychisch labil. Zerrüttet von Depressionen, an deren zunehmend fatalem Ausmaß der brutale und perfide Eingriff des FBI in das Leben Sebergs mindestens eine Mitschuld trägt. Wenn nicht die Hauptschuld, wie es jetzt Regisseur Benedict Andrews nahelegt.

1968: Die großen Filme, die Seberg zum Star machten und anhaltenden Kino-Ruhm bescherten, sind da schon gedreht. Aus Frankreich kehrt die US-Schauspielerin wieder nach Amerika zurück. In Hollywood steht WESTWÄRTS ZIEHT DER WIND auf dem Drehplan. Ein – tatsächlich! – Western-Musical mit Lee Marvin und Clint Eastwood. Wohl damals schon so absurd wie heute. Zumal auch in den USA 1968 die Zeichen auf politischen Sturm stehen. Als Seberg sich mit dem Black-Power-Aktivisten Hakim Jamal einläßt, ruft das umgehend das FBI auf den Plan. Der junge Abhörspezialist Jack Solomon wird auf Seberg angesetzt. Und somit bald zum Werkzeug einer von seiner Behörde gegen die Schauspielerin initiierten beispiellosen Schmutzkampagne.

Dieser Film, er hätte ein wütender Aufschrei werden können. Oder ein kühles Zeit- und Mentalitätsporträt. Oder schlicht ein Melodram über einen zerbrechlichen und auch naiven Menschen, an dem eine höchst selbstgefällige und skrupellose Staatsinstanz ein Exempel zu statuieren sucht. In nichts von alldem ist JEAN SEBERG konsequent. Dafür von allem ein bißchen – und das immer bekömmlich. Als würde Andrews dem geneigten Zuschauer nicht zu viel zumuten wollen, von dem Empörenden und Bedrückenden, das in dieser Geschichte allenthalben lauert.

Stattdessen wird sich aufs Zeitkolorit kapriziert. Auf Sportwagen und Minikleidchen, sexy Black-Power-Ladies und lässige Musik. Schaut sich fraglos gut an. Aber was bleibt hängen? Ganz klar: Kristen Stewart, die als Seberg mehr als nur eine respektable Leistung bringt und ahnen läßt, was dieser Film alles hätte sein können, wenn er nur den Mut gehabt hätte, es zu werden.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.