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Komm näher

Aufforderung zum Zusammenrücken

Vanessa Jopp, mehrfach ausgezeichnete Regisseurin (VERGISS AMERIKA, ENGEL UND JOE), stellt in ihrem neuesten Film gleich mehrere Großstädter-Schicksale nebeneinander: Da ist Mathilda, die zu Beginn mit dem jungen Polizisten Bronski an einer Straßenecke zusammenstößt und ihn lautstark einen "Scheiß-Bullen" schimpft. Daß dies nur der Auftakt zu einer längeren Geschichte ist, ahnt man gleich, doch zunächst fährt die Regie fort mit der Einführung der Protagonisten: Die alleinstehende Johanna geht putzen und läßt sich zu Hause von ihrer pubertierenden Tochter Mandy tyrannisieren. Eines Tages faßt sie sich ein Herz, antwortet auf eine Kontaktanzeige und lernt den bierbäuchigen Taxifahrer Andi kennen. Die beiden mögen sich, sind aber schon zu lang allein, als daß der nächste Schritt leicht getan wäre. Ganz anders ergeht es der jungen aufstrebenden Architektin Ali, die über der Organisation von Karriere und Betreuung ihres Sohnes ganz vergißt, daß es ihren Mann David auch noch gibt. Schließlich bemerkt sie es doch, allerdings erst, als David plötzlich verschwunden ist ...

Die Intention der Regisseurin war es zweifelsohne, in einer unprätentiösen Weise von Einsamkeit und Liebe, von ersten zaghaften Geh- und letzten Rettungsversuchen in Sachen Beziehung zu erzählen. Die Einzelschicksale ihrer Protagonisten sind hier und da geschickt miteinander verwoben, was aus dem Episodischen einen filmischen Reigen werden läßt. Jopps Konzept, den Schauspielern größtmöglichen Spielraum zu gewähren - KOMM NÄHER wurde mit zwei DV-Kameras gedreht - geht über weite Strecken auf, läßt ein Gefühl unmittelbaren Erlebens entstehen. Um so enttäuschender ist das oftmals stilisierte Umfeld der Darsteller sowie einige über Gebühr strapazierte Redewendungen. So hört man im Hintergrund einzelner Szenen zu oft politische Nachrichten, und Andi quasselt beim ersten Date mit Johanna fast ausschließlich von Hartz IV.

Und Mathilda, die augenscheinlich das größte Problem mit ihrer Sexualität hat, muß so oft "ficken" sagen, daß man das Vertrauen der Regisseurin in das Aufnahmevermögen ihrer Zuschauer besser nicht erfragt. Solches befremdet und läßt dort ein Stück Abrücken, wo Näher-rücken gemeint war.

D 2006, 97 min
Verleih: Piffl

Genre: Drama, Episodenfilm

Darsteller: Meret Becker, Hinnerk Schönemann, Stefanie Stappenbeck, Marek Harloff

Regie: Vanessa Jopp

Kinostart: 20.04.06

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.