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My Stuff

Du bist nicht Dein Kram!

Während ich das hier schreibe, hängt mir gegenüber ein selbst (!) in Pink auf Weiß gesticktes Sprüchlein: ALL YOU NEED IS LESS. Es ist modern und irgendwie hübsch, solche Mini-lebensweisheiten in Wohnräume zu plazieren, und ebenso ist es en vogue, sich in unserer übersättigten Wohlstandsgesellschaft von seinen viel zu vielen Dingen trennen zu wollen, dem Selbst mal wieder wie einer weißen Wand gegenüberzustehen. Es ist ein lautes Lechzen zu vernehmen, eine große Sehnsucht nach Sinn, die sich nicht an Äußerem festmacht.

Und dann zieht man eben in einen Bauwagen, verbringt Wochen in Schweigeklöstern oder läuft durch die Wüste. Aber halt! Das macht man eben nicht, es wagen nämlich nur Wenige. Der Rest guckt zu. Wie eben auch dem Petri Luukkainen, 26, frisch von seiner Freundin verlassen, der seine Wohnung für ein Jahr in kleine praktische Kisten packt und einlagert. Und sich dabei filmt, was das jetzt mit ihm macht. Die Regel: Jeden Tag darf er sich ein Stück zurückholen. Und Neues darf nicht gekauft werden.

Zu Anfang ist das lustig, wie er nackt durch den finnischen Schnee rennt, um sich seinen Mantel zu holen. Und schön zu sehen, wie er sich freut, endlich wieder auf einer Matratze schlafen zu können. Aber dann kehren die Dinge langsam zurück, und es passiert nichts Gravierendes. Nicht mit Petri selbst, nicht mit seinen Freundschaften, nicht mit seinen Eltern. Und das ist er dann auch schon, der ganze schlichte Erkenntnisgewinn aus diesem Experiment: Es ändert sich nichts, ob du nun 100 oder 200 Dinge besitzt. Es macht das Leben angenehmer, etwas mehr zu haben, aber es wärmt dich nicht von innen. Die schönsten Sätze des Filmes stammen aus den Gesprächen, die der junge Mann mit seiner Oma führt. Denn die alte Dame sagt zwar nicht viel, aber dafür hat sie bereits die Essenz gefunden: Du bist nicht Deine Dinge.

Und während man zusieht, wie Petri endlich wieder ein Rollo an sein Fenster anbringen will, ist es fast befreiend, daß wir dabei keinen inneren Monologen voller Küchenpsychologie lauschen müssen, sondern später nur ganze sieben Minuten dabei zusehen dürfen, wie er das kaputte Fahrradschloß seiner neuen Bekanntschaft knackt. Dann kommen das erste Date und schließlich die Liebe. Das Leben unseres Helden gewinnt an Freude. Uns Voyeuren bleibt nur noch, ihm Glück zu wünschen, und daß er es aushält, mit sich und seinem Kram.

Originaltitel: TAVARATAIVAS

Finnland 2013, 80 min
FSK 0
Verleih: Rise And Shine Cinema

Genre: Dokumentation

Regie: Petri Luukkainen

Kinostart: 05.03.15

[ Susanne Schulz ]