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Neukölln Unlimited

Mitreißender Dokfilm voller HipHop und Breakdance

Der Dokumentarfilm NEUKÖLLN UNLIMITED erzählt die Geschichte von drei Geschwistern aus Berlin, die Tag für Tag mit der Angst vor der Abschiebung leben. Dabei sind sie fest verwurzelt in ihrem Kiez, in Neukölln, dem sozial schwächsten Stadtteil Berlins, in dem Bewohner aus mehr als 160 unterschiedlichen Nationen leben. Viele von ihnen sind wie Lial, Hassan und Maradona Migranten der zweiten Generation, sind hier geboren oder leben seit Jahrzehnten in Deutschland, ohne einen deutschen Paß zu haben.

Lial Akkouch ist tough, trägt milimeterdicken Kajal und Turnschuhe und läßt sich so leicht nicht die Butter vom Brot nehmen. Die heute 21jährige kam als Zweijährige nach Deutschland, vier ihrer fünf Geschwister wurden hier geboren, sie alle gingen hier zur Schule. Deutschland ist ihre Heimat, ganz im Gegenteil zum Libanon, einem Land, das sie noch nie bewußt erlebt haben – zumindest nicht, bis sie 2006 in einer Nacht- und Nebelaktion abgeschoben wurden. Zwar schaffte es die Familie Akkouch, wieder nach Deutschland zu kommen, aber es blieben Narben zurück, unsichtbare Narben, die sich nicht in die Haut, sondern ins Selbstverständnis eingegraben haben.

Die Abschiebung hat ihnen alle Sicherheiten genommen, jedes Heimatgefühl zerstört. Trotzdem resignieren die Geschwister nicht, sondern versuchen ganz bewußt, etwas aus ihrem Leben zu machen, vielleicht weil sie wissen, daß nichts daran sicher ist, daß ihr Leben in Deutschland jederzeit zu Ende sein kann. Ihre Sprache sind HipHop und Breakdance, die Bühne ist der Ort, an dem sie ihre unbändige Energie und auch ihre Wut und Verzweiflung ausleben können. Ihre Kreativität und ihre Ausdruckskraft machen NEUKÖLLN UNLIMITED zu einem ganz besonderen filmischen Erlebnis.

Agostino Imondis und Dietmar Ratschs Dokumentation ist ein Film, der sich die Mühe macht, mehr als zweimal hinzuschauen und Schlagwörter wie Integration zu hinterfragen – ohne auf eine einfache Lösung zu hoffen. Die Akkouch Geschwister wollen kein Mitleid, sondern eine Antwort auf die Frage, warum die deutsche Politik Jugendliche wie sie nicht mit offenen Armen aufnimmt. Denn sie brauchen eine Heimat, und dieses Land braucht Menschen wie sie.

D 2010, 96 min
FSK 0
Verleih: GMfilms

Genre: Dokumentation, Musik

Darsteller: Lial Akkouch, Hassan Akkouch, Maradona Akkouch

Regie: Agostino Imondi, Dietmar Ratsch

Kinostart: 20.05.10

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.