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Nói Albinói

Ein Außerirdischer unter Schafskopffressern

Island ist ein schreckliches Land. Es ist kalt, meistens naß, noch öfter dunkel und irgendwie ... ach ich weiß nicht. Island ist einfach schrecklich, die Geysire viehisch heiß, die Selbstmordquote erschreckend hoch und die Menschen seltsame Schafskopffresser. Und überhaupt. Aber die Musik von dieser seltsamen Insel ist gut - Björk, Sigur Ros etwa. Und die Filme sind ganz wunderbar. So wie dieser um den irgendwie ziemlich schrägen Jungen Nói.

Der schaut ohne Haar und mit traurigen Augen in die tumb vor sich hindümpelnde isländische Provinz. Die anderen halten ihn abwechselnd für gaga, genial oder einfach nur schwul. Was aber für die meisten in seinem Kaff wieder gaga wäre. Wahrscheinlich ist Nói aber der Normalste auf der verdammten Insel. Einer mit simplen, ganz realen Wünschen. Und Träumen. Er will einfach nur weg, weg von diesem schrecklichen Island, dieser Düsternis, dieser blaufrostigen Tristesse. Am besten mit der spröd-schönen Iris. Doch nach einem putzigen Banküberfall, einer mißglückten Flucht vor den Bullen und einer tragischen Schneelawine sieht Nóis Leben wieder ganz anders aus. Nicht eben leichter, denn Island ist ein schreckliches Land ...

Dagur Káris Spielfilmdebüt ist ein ungeschliffener Diamant, eine lakonisch blitzende Beobachtung von Käuzen und Aneckern, ein brillant formulierter Abgesang auf das Übliche. Er kitzelt an den Urängsten des Versauerns, streichelt die bitter-wohlige Lust an der Flucht, wenn man jung ist. Kári weiß aber auch zu gut, daß bei aller schrägen Komik, bei den bestens pointierten Klamaukattacken immer, aber wirklich immer der gallige Geschmack des Echten durchschlägt. Island kann tatsächlich Sackgasse sein, und selbst die ist dann noch mit Schlaglöchern übersät. Bei Kári wird klar, daß man mit Galgenhumor und Leck-Mich-Attitüde als junger Mensch eine Weile besser klarkommt. Aushalten wird man es trotzdem nicht länger als nötig.

Und so gehört in dieser tragikomischen Reise stets der Kummer, die Verzweiflung und der tiefe Blues zu Nóis Entourage.

Originaltitel: NÓI ALBINÓI

Island 2003, 93 min
Verleih: Neue Visionen

Genre: Tragikomödie, Erwachsenwerden, Schräg

Darsteller: Tómas Lemarquis, Elín Hansdóttir

Regie: Dagur Kári

Kinostart: 01.01.04

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.