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Rec

Schweißtreibender Höllenspaß als Reanimation eines anämischen Subgenres

Eigentlich sollte man REC ohne jedes Vorwissen genießen, nur darauf eingestellt, sich wahlweise bibbernd im Kinosessel zu verkriechen oder aber vor Schreck einen halben Meter aus ihm in die Lüfte zu springen. Da die vorliegende Rezension unter Einhaltung dieser Vorgabe allerdings arg kurz wäre, jetzt eine Langfassung.

Der wohlklingende Name Angela Vidal prädestiniert ja fast zu einer Karriere beim Fernsehen, doch unsere attraktive Heldin ist dennoch bei einer Reality-Show versackt, welche sie entsprechend lustlos moderiert. Auch heute stehen die Zeichen auf Langeweile: Eine nächtliche Reportage über Feuerwehrmänner steht auf dem Programm. Angela scherzt gezwungen mit den Uniformierten, besucht ihre Schlafräume, stellt uninteressierte Fragen. Dann schrillt der Alarm los – leider soll aber bloß eine Wohnung geöffnet werden. Routine, entsprechend entspannt bleibt die Stimmung. Was sich ändert, als der Rettungstrupp eine blutüberströmte alte Frau vorfindet. Eben noch apathisch herumstehend, mutiert sie unvermittelt zur reißenden Furie. Und während die Polizei das Haus inklusive Mietern, Feuerwehrmännern und Angelas Fernsehteam verriegelt, bricht drinnen die Hölle auf Erden los ...

Zugegeben: Eine ausgefeilte Handlung klingt anders. Aber obwohl wir es hier grundsätzlich bloß mit einem – um das garstige Kind nun doch beim Namen zu nennen – Zombie-Schocker zu tun bekommen, der sich an alle gängigen Regeln hält, stellt er sie doch immer wieder auf den Kopf. Im Gegensatz zu seinen billigen Kollegen aus der Videotheken-Ramsch-Ecke befriedigt dieser fiese kleine Bastard von Film nämlich eben nicht die bluthungrigen Gorehounds. Fontänenartig sprudelnde Körperflüssigkeiten sucht man ungeachtet permanenter Attacken der Monster vergebens, kein einziges inneres Organ wird seinem unglücklichen Besitzer entrissen. Dafür spielen die Darsteller so beängstigend echt panisch, als ginge es tatsächlich um ihr Leben, saugt der konsequente Einsatz der wackeligen Handkamera mitten hinein in das nahezu physisch mitreißende Geschehen, sitzen altbewährte Schockeffekte bombig und scheuen sich die beiden Regisseure nicht, häufig ängstlich umrundete Tabus zu brechen: ein untotes, geiferndes Kind? Klar, gern!

Ohne Abdriften in die üblichen Auflockerungen durch kleinere Scherze geht es zur Sache, die Spannungsschraube dreht sich unerbittlich fester, während das Skript die gemeinen Zutaten – latente Sozialkritik, nominelles Heldentum et cetera – als lästige Notwendigkeiten erkennt und entsprechend kurz abhandelt. Mittendrin schreit eine Frau nach ihrem im oberen Stockwerk gefangenen Vater oder wird eine Mutter den Bestien zum Fraß überlassen, zum Zweck der eigenen Rettung. Das ist blanker Terror, der Festkrallen im Nebenmann und Kauen an den Fingernägeln verursacht. Bis zum wohltuend finsteren Finale.

Wer sich also traut, ruiniert sein Nervenkostüm auf eigene Gefahr mit einem bitterbösen, atmosphärisch kaum in Worte zu fassenden Untoten-Spuk, welcher dem Zombiegenre endlich zurückgibt, was es seit seinem Aufstieg zur Salonfähigkeit mit George A. Romeros NIGHT OF THE LIVING DEAD durch sinnlose Splatter-Mätzchen sukzessive verloren hat: den puren, herzrasenden, hoffnungslosen Schrecken.

Originaltitel: REC

Spanien 2007, 83 min
FSK 18
Verleih: 3L

Genre: Horror, Psycho

Darsteller: Manuela Velasco, Ferran Terraza, Pablo Rosso, David Vert, Vicente Gil

Regie: Jaume Balagueró, Paco Plaza

Kinostart: 08.05.08

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...