D 2017, 101 min
FSK 6
Verleih: Universum

Genre: Tragikomödie, Musik

Darsteller: Jan Josef Liefers, Armin Rohde, Jürgen Vogel, Laura Tonke, Richy Müller

Regie: Philipp Kadelbach

Kinostart: 22.11.18

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So viel Zeit

Hymne auf die alte Männerfreundschaft

Statt ein standesgemäßes Rockstarleben zu führen, schlägt sich Rainer als Gitarrenlehrer durch. Die Frau ist weg, und der Sohn sieht in ihm vor allem den unzuverlässigen Versager. Dabei hätte alles ganz anders kommen können. Dreißig Jahre ist es her, daß er den Durchbruch seiner Band „Bochums Steine“ verpatzte. Stolz und Konkurrenz waren damals im Spiel. Seitdem blieb nur noch der Traum von der großen Bühne.

Philipp Kadelbach spitzt die Romanvorlage von Frank Goosen, in der fünf Männer der Alltäglichkeit des Alterns den Kampf ansagen, gehörig zu. Denn Rainer befindet sich nicht nur einfach in der Sinnkrise eines mittelalten Mannes, sondern bekommt die Diagnose gestellt, nicht mehr lange am Leben zu sein.

Das läßt ihn seinen inneren Schweinehund überwinden und an den Kneipentisch der alten Bandkumpels treten. Die haben es auch nicht viel weitergebracht als er. Konni, mittlerweile Religionslehrer, wird von seiner Freundin mit einem Möchtegern-Tarzan betrogen, während Thomas mit der immer noch gleichen Masche den Schürzenjäger mit sich lichtender Rockermähne gibt. Und „Bulle“ knabbert schwer am Tod seiner Frau. Natürlich trifft Rainer zunächst auf allgemeine Ablehnung, als er eine Reunion der Band vorschlägt. Doch am Ende ist die Verlockung, an alte Zeiten anzuknüpfen, doch zu groß. Nun muß nur noch Ole, der ehemalige Leadsänger, für das ambitionierte Projekt gewonnen werden. Der hatte sich in die große Stadt abgesetzt und ist in der Musikbranche tatsächlich „was geworden.“

Kadelbach kann mit einer Top-Besetzung aufwarten, und als Zuschauer in mittleren Jahren nimmt man den vormals rotzigen Jungs, gespielt unter anderem von Jürgen Vogel, Richy Müller und Jan Josef Liefers, ihre Wehmut und den Abschied von der Jugend gewissermaßen doppelt ab, ist man doch mit ihnen über viele Kinojahre gemeinsam gealtert. Und tanzte mit 16 zu den Coverversionen der schuleigenen Rockband, vielleicht auch zu den Scorpions. Dabei gelingt Kadelbachs Hymne auf die echte Männerfreundschaft und den Versuch, auch in scheinbar unlösbaren Situationen dem Leben noch ein wenig Rock’n’Roll abzutrotzen, nicht wahnsinnig überraschend.

Aber es fühlt sich trotzdem gut an, das Pathos der Vergänglichkeit zu spüren, zu sehen, wie der Sohn zum Vater findet, Liebe ins Spiel kommt und Konni sich endlich mal wieder wie ein „richtiger“ Mann fühlen darf: verwegen, frei und ein wenig mitgenommen.

[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...