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Soul Kitchen

Knallige Kiezkomödie und Brüdergeschichte

Fatih Akin wollte auch mal komisch sein. Sich quasi nach seinen großen melodramatischen Filmen nun aufs schwierigste Terrain wagen – das der Komödie. Bleibt zu verkünden: Akin kann auch das. Zum Glück, zur Ehrenrettung eines Brachlachlandes. Hier zeigt einer, daß Humor aus der Heimat lach- und machbar ist – ohne Fäkales und Genitales, ohne Barthsches Proll- und Schweigersches Ääh-Gesülz. SOUL KITCHEN ist ein lässiger, komischer, mit der richtigen Dosis Tragik gewürzter Film und zudem einer mit Rhythmus. Was das genau heißt? Keine Ahnung! „Ey, mußte selbst schauen ...“ würde der Kneipenmann Zino sagen, der im Zentrum der Geschichte steht. Rhythmus – dieser Film hat ihn einfach. Da wirken die 70s-Beats zu Beginn nicht als Marotte, Akin versteht etwas von Tempi, von der Kraft der ruhigeren Momente, die sich aus dem Scheitern der Figuren speisen.

Der Ton in Zinos Kneipe ist rauh, „ ... gib mir Wein, Du Scheiß-Ausländer.“ Hier bricht man sich keinen ab, hier ist alles geerdet, allerdings auch das Speisenangebot. Frikadelle, Tiefkühlpizza, Fischklops – die Friteuse brummt. Aber weil das Leben Haken schlägt, Zino ’nen Hexenschuß bekommt, der Gourmetkoch Shayn ihm über den Weg stolpert, bleibt in dieser ranzigen Bude kein Stein auf dem anderen – das „Soul Kitchen“ ward geboren, ein Ort, wo man Gaumen und Seele noch ernst nimmt. Aber die Probleme werden mit dem nun schicken Laden nicht kleiner. Die Behörden scharren mit den Hufen, Zinos Bruder Illias trumpft als Möchtegern-Unterweltgröße auf, und nachdem eine Spezial-ingredienz im Dessert Anwendung fand, fickt Zinos alter Schulkamerad Neumann ausgerechnet Frau Schuster – die Dame vom Finanzamt ...

Zinos teils komisch-absurde Erbauungsgeschichte ist ein Ritt durch die hier liebevoll gehuldigte Großstadt Hamburg, eine oft leichtfüßige, dennoch immer bodennahe Alltagsbeobachtung, die sich niemals über ihre Figuren stellt: Akin kennt das Milieu, er mag seinen unrasierten Küchenzampano, der sich allabendlich den Frittenduft mit Minze von der Haut schrubbt. Akin weiß einfach, daß Typen wie Zino ein Leben lang kleine Jungs bleiben. Und: SOUL KITCHEN tut nicht so, er ist echt.

Letztendlich hat Akin für die Glaubwürdigkeit seiner Geschichte genau die richtigen „Fressen“ gefunden: Adam Bousdoukos als Zino dürfte die Entdeckung des Jahres sein, und selbst Moritz-Overscreened-Bleibtreu als Spacko Ilias im Zuhälteranzug mit schrägem Grinsen und „Is’ ok, ne?“ – selbst den schließt man ins Herz.

D 2009, 99 min
FSK 12
Verleih: Pandora

Genre: Komödie

Darsteller: Adam Bousdoukos, Moritz Bleibtreu, Birol Ünel, Wotan Wilke Möhring

Regie: Fatih Akin

Kinostart: 24.12.09

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.