Originaltitel: THE HURT LOCKER

USA 2008, 134 min
FSK 16
Verleih: Concorde

Genre: Kriegsfilm, Drama, Action

Darsteller: Jeremy Renner, Anthony Mackie, Brian Geraghty, Guy Pearce, Ralph Fiennes

Regie: Kathryn Bigelow

Kinostart: 15.10.09

2 Bewertungen

Tödliches Kommando

Von der emotionalen Verkrüppelung im Krieg

Ein Mann steht im Supermarkt vor dem Flakes-Regal, seine Frau hat ihn beauftragt, für den gemeinsamen Sohn noch eine Leckerei zu kaufen. Der Mann heißt William und fühlt sich mit dieser Aufgabe komplett überfordert, sein Blick schweift über die immense Auswahl, schließlich nimmt er das erstbeste Produkt. Eine Szene, scheinbar unwichtig, und doch bringt sie den ganzen Film auf einen erschütternden Punkt.

William ist Teamleiter eines Bombenräumkommandos im Irakkrieg. Ein Einzelkämpfer, welcher tagtäglich dem Tod ins Auge sieht und nicht ohne Stolz berichtet, bereits 873 Sprengkörper entschärft zu haben. So dürfen wir denn anfangs auch einige Einsätze mitverfolgen, dabei zuschauen, wie in fast dokumentarischen Wackelbildern Timer ticken und Williams Leute höchste Risiken eingehen. Dabei brüllt man markige Sprüche vom Schlag „War Can Be Fun!“ und zündet sich nach erfolgreichem Einsatz ganz cool seine verdiente Zigarette an. Krieg als Spielplatz für Machos? Zu Beginn scheint es fast so.

Doch hier sitzt Kathryn Bigelow, Hollywoods intelligenteste Filmemacherin, auf dem Regiestuhl, außerdem sollte man nicht den im Deutschen recht pauschal gegen TÖDLICHES KOMMANDO getauschten Originaltitel THE HURT LOCKER vergessen, ein Begriff, mit dem die Aufbewahrungsbox für Habseligkeiten eines Gefallenen bezeichnet wird. Heißt: Bigelow baut ihr Action-Szenario nur deswegen auf, um es später perfide zu verdrehen. Dann zeigt der Krieg sein wahres schreckliches Gesicht, beispielsweise müssen in einer minutenlangen Sequenz William und seine Männer plötzlich zum eigenen Überleben eine Gruppe Angreifer praktisch hinrichten. Einen nach dem anderen. So detailliert und grausam, daß es an psychische Qual auch im Zuschauerraum grenzt, zumal Bigelow primär eine Frau ist, zerrüttende Details inszeniert und ihr Auge auf nominellen Kleinigkeiten ruhen läßt, welche sonst keiner sieht.

Überhaupt scheut sie nie vor der Sache dienlichen, kaum erträglichen Aufnahmen – man denke an Beckhams Schicksal – zurück, ohne jedoch in plumpe Effekthascherei zu verfallen. Vielmehr interessiert hier die Frage, weshalb Menschen freiwillig in den Krieg ziehen, sich für eine Existenz am Limit entscheiden. Und dann beendet William den Einsatz, darf nach Hause zurückkehren, seine Familie in die Arme schließen – um schließlich hilflos vor Flakesschachteln zu kapitulieren.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...