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Viehjud Levi

Jenseits künstlichen Pathos’ - Verfilmung des Stücks von Thomas Strittmatter

1933 in einem abgelegenen Tal im Schwarzwald. Hier sieht es aus, als hätte sich seit hundert Jahren nichts geändert. Von neuen Ideologien weiß hier niemand etwas. Der Viehhändler Levi kommt in die Gegend, um Geschäfte zu machen und die Lisbeth, Tochter des Bauern Horger, zur Frau zu nehmen. Mit ihm trifft auch ein Reparaturzug der Deutschen Reichsbahn ein; eine Lawine hat den Tunnel verschüttet. Unter Leitung des Berliner Ingenieurs Kohler wird nicht nur die Bahnstrecke bereinigt; mit Hakenkreuz und Volksempfänger brechen neue Zeiten an. Langsam verfällt ein Dorfbewohner nach dem anderen dem Nationalsozialismus.

Keine Darstellung einer Massenbewegung, kein Pathos, kein Morde, nur wenig Gewalt. Ein verharmlosender Film? Ganz im Gegenteil. Ein subtiles Portrait schleichender Veränderungen im Mikrokosmos einer dörflichen Gemeinschaft. Das Gasthaus, der Bauernhof, der Weiher, der Bahnübergang - Konstellationspunkte des Zusammentreffens, der Konfrontation und langsamen Abgrenzung von Blicken. Oftmals unbefangen und leichtgläubig bewegen sich die Protagonisten in der Zeit des Überganges zur neuen Gesellschaftsordnung. Das heutige Wissen wirkt verstärkt bedrückend auf den Betrachter.

Didi Danquart erzählt gradlinig, inszeniert traditionell in vielen festen Einstellungen und verliert nie den Blick für das Wesentliche. Das gelingt ihm natürlich besonders durch die bis in die Nebenrollen hochkarätige Besetzung (Caroline Ebner lebt ihre Lisbeth). Die kongeniale Musik, die auf dem Grat zwischen jiddischer und nazistischer Motivik wandelt, expliziert noch das Bewußtwerden Levis und den wachsenden Widerstand Lisbeths gegen das aufkommende Unheil. Wenn am vermeintlich positiven Ende die Rücklichter von Levis Lastwagen im tiefsten Schwarz verschwinden, ist es still, ganz still. Die Ruhe vor dem Sturm.

D/CH/Österreich 1999, 95 min
Verleih: Arsenal

Genre: Drama, Polit

Darsteller: Martina Gedeck, Ulrich Noethen, Bruno Cathomas, Bernd Michael Lade

Regie: Didi Danquart

Kinostart: 02.12.99

[ Philipp J. Neumann ] Philipp fühlt sich inspiriert von CLUB DER TOTEN DICHTER, hat gelernt aus DAS SIEBENTE SIEGEL, ist gerührt von MAGNOLIA, hat sich wiedergefunden in THE SWEET HEREAFTER, wurde beinahe irr durch FARGO, ist für immer vernarrt in PONETTE und war schlicht plattgedrückt von DER HERR DER RINGE.