Originaltitel: WORLD TRADE CENTER

USA 2006, 129 min
Verleih: UIP

Genre: Drama, Schicksal

Darsteller: Nicolas Cage, Michael Peña, Maggie Gyllenhaal, Maria Bello, Stephen Dorff

Regie: Oliver Stone

Kinostart: 28.09.06

Noch keine Bewertung

World Trade Center

Das Innenleben einer Katastrophe

Ist es eine gute Nachricht, daß sich Oliver Stone in seinem neuen Werk den Ereignissen des 11. September 2001 widmet? Anders formuliert: Traut man die Rekonstruktion der im internationalen Bewußtsein verhafteten Geschehnisse einem Regisseur zu, welcher seit NIXON nur Unterhaltungsfilme produziert hat beziehungsweise mit dem nichtssagenden COMANDANTE am Porträt Fidel Castros scheiterte? Wohl eher nicht.

Vielleicht hat Stone dies erkannt, ist sich eventuell sogar seiner kaum noch vorhandenen politischen Schärfe bewußt. Und geht deswegen einen völlig anderen Weg. Er rückt – basierend auf wahren Ereignissen – zwei zur Evakuierung der Opfer abgestellte Officers in den Mittelpunkt, beschreibt ihren dramatischen Überlebenskampf, als sie verschüttet werden, beleuchtet ihre Familien und deren Gefühle. Eine kleine Gruppe Betroffener. Nirgends ein politisches Statement.

Natürlich mag man ihm genau das zum Vorwurf machen, ebenso wie das stets latent schwelende Pathos, die gewohnte Überlänge oder Nicolas Cage als Hauptdarsteller. Auch der überdeutlich-klebrige Epilog ist schlicht unnötiger Durchhalte-Firlefanz. Und wenn schließlich sogar Jesus persönlich (mit einer Mineralwasserflasche!) auftaucht, schrammt die Inszenierung bloß extrem knapp am Lächerlichen vorbei. Andererseits kann man bei aller Kritik aber beispielsweise Stones Verzicht darauf würdigen, die Katastrophe zu visualisieren. In einer beeindruckenden Szene beklagt eine Angehörige außerdem explizit, daß "sie uns immer wieder die gleichen Bilder zeigen." Überhaupt hält sich das sonst nicht gerade subtile Enfant terrible des US-Kinos zurück, fokussiert auf einen einzeln im Schutt liegenden Damenschuh anstatt ausufernde Materialschlachten – und verfehlt damit seine Wirkung oft nicht. Hinzu gesellt sich der ebenso reduzierte wie emotional wuchtige Soundtrack, ein Notenwerk in Moll, scheinbar um die Toten trauernd.

Bei realistischer Betrachtung benutzt Stone letztlich zwar lediglich den 9/11-Rahmen, um die zwischenmenschlichen Auswirkungen irgendeiner Massentragödie anzureißen. Von thematischer Verfehlung zu sprechen, wäre dennoch falsch, da es letztlich genau sein Verdienst ist, eben nicht den bang erwarteten "Film zur Katastrophe" gedreht zu haben.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...