Originaltitel: ZERO DARK THIRTY

USA 2012, 157 min
FSK 16
Verleih: Universal

Genre: Drama, Historie, Thriller

Darsteller: Jessica Chastain, Jason Clarke, Joel Edgerton, James Gandolfini

Regie: Kathryn Bigelow

Kinostart: 31.01.13

17 Bewertungen

Zero Dark Thirty

Die große Kunst der Ambivalenz

Zu Beginn ist die Leinwand schwarz, und man hört ein Telefongespräch. Eins vom 11. September 2001. Eine Frau, die aus den brennenden Twin Towers heraus durch ihr Handy um Hilfe fleht. Nur das: dunkle Leinwand und Verzweiflung, die abrupt verstummen wird.

Der Beginn von Kathryn Bigelows ZERO DARK THIRTY dürfte einer der zugleich sprödesten und emotionalsten der Kinogeschichte sein. Ein Anfang, der keine Bilder braucht, weil er genügend Bilder im Kopf weckt. Das ist schlicht genial in genau dieser Kombination: schlicht und genial. Und zu fragen wäre, wieviele Zuschauer in der damit geweckten Aufwallung eigener Gefühle im dunklen Kinosaal denken: Ja, verdammt, holt euch den Kerl! Den Kerl: Osama bin Laden. Von der Jagd nach diesem erzählt dieser Film, der nichts braucht, was bei derlei Filmen zu befürchten ist. Keine gravitätische Musik, keine patriotischen Appelle, keine hehren Helden, die es richten werden.

Bigelow weiß, daß Kino auch ohne plumpe Überrumplungsmasche funktioniert. Und wofür man dieser Regisseurin besonders dankbar sein muß, ist, daß sie ihr Publikum nicht für dämlich hält. Und es genau deshalb wagt zu konfrontieren. Denn kaum hat man „Holt euch den Kerl“ gedacht, sieht man, was das bedeutet, diesen Kerl „zu holen.“ Die ersten Bilder des Films sind die einer Folterung. In einem Lager in Pakistan. In einem Raum nackten Betons. Darin ein CIA-Mann, eine CIA-Frau, maskierte Helfer. Und das Martyrium eines Gefangenen, an dessen Ende ein Name fällt: Abu Ahmed al-Kuwaiti, der Kurier Osama bin Ladens.

Womit ZERO DARK THIRTY sich zu entfalten beginnt. Fiebrig in den Szenen zeigt er das Adrenalin, die Erschöpfung, die Gewalt einer Menschenjagd. Die Rückschläge und schließlich das blutige Finale in bin Ladens pakistanischem Versteck. All das spannt sich straff als Drahtseilakt: Hier wird nicht gewertet, sondern berichtet. Die Bequemlichkeit moralischer Besserwisserei vermeidet der Film, der diese Jagd, diesen „Krieg gegen den Terror“ als das zeigt, was er ist: eine zweischneidige Sache. Die Fragen zu dieser stellen sich von selbst. Mit Antworten ist es schwieriger. Und auch wie das Widerhall in einer Frau findet, macht ZERO DARK THIRTY zu großem Kino: In fast ätherischer Zartheit ist Jessica Chastain die knochenharte CIA-Agentin Lambert, der Bigelow eine Schlußszene schenkt, in der all die Ambivalenz, die Widersprüche und Zerrissenheit sich auf so schlichte wie geniale Weise komprimiert aufzeigen.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.