Originaltitel: DÉLICIEUX

F/Belgien 2021, 113 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen

Genre: Drama, Poesie

Darsteller: Grégory Gadebois, Isabelle Carré, Benjamin Lavernhe, Guillaume de Tonquédec

Regie: Éric Besnard

1 Bewertung

À la carte!

Drei-Sterne-Menü der Sinnlichkeit

Im Frankreich des späten 18. Jahrhunderts macht Manceron, Koch des Herzogs, klare Ansagen: „Das Gemüse knackig, die Täubchen blutig, wenige Gewürze!“ Schließlich soll’s dem Adelspack munden, während das Volk am Hungertuch nagt. Letzteres interessiert Manceron indes kaum, dafür kommt's bei ihm hin und wieder dann doch zum Kreativitäts-Stau, will eine Eigenkreation einfach raus. Die schmeckt zwar stets köstlich, besteht diesmal allerdings aus Kartoffeln. Igitt! Der Küchenchef fliegt und muß künftig im Hinterland Reisenden fade Suppe servieren. Das öde Leid wird potentiell verstärkt, weil Louise auftaucht – nicht mehr blutjung, wahrscheinlich nie eine klassische Schönheit gewesen – und in Mancerons Dienste treten möchte. Er lehnt ab. Sie schaltet auf stur. Er versucht diverse Vergraulmethoden. Sie blockt. Er kapituliert.

Derweil sich BIRNENKUCHEN MIT LAVENDEL-Regisseur Éric Besnard als echter Ästhet erweist, der Sinnlichkeit nicht Pomp opfert: die Kostüme, obwohl wunderhübsch anzuschauen, von dezenter Schlichtheit. Die aufgetafelten Speisen zum Zahntropfen taugend, aber fern von „Ich bin hier der Lebensmittelfotograf“-Mätzchen. Träumerische Landschaften ohne pittoreske Schnörkelei. Visuelle Großtaten, unter denen allerhand Unausgesprochenes, Brodelndes, Zurückgedrängtes ruht.

Louises Ankunft gerät zum Gefühlskatalysator, der in Arbeit vergrabene alleinerziehende Witwer läßt unverhofftes Begehren zu, was Besnard erneut vorsichtig transportiert, durch verstohlene Blicke oder fast zarte, schüchtern aufschimmernde Dialogzeilen: „Ich werde Eure Hände sein.“ Und natürlich übers mimische Talent: Die von Geheimnissen umrankte Isabelle Carré, deren Louise kein simples Love Interest, sondern eine vernarbte Seele ist, gibt sich ebenso hin wie Grégory Gadebois, dessen bärbeißige Melancholie berührt. Umarmt Manceron beispielsweise unbeholfen steif seinen rebellischen Sohn, gewinnt die Figur an mehrdimensionaler Tiefenschärfe. Carré und Gadebois harmonieren zudem bestens, spielen sich nicht nur die verbalen Bälle zu – stand die Szene nach dem Abspann tatsächlich so im Skript?

Quasi nebenbei verhandelt Besnard noch Historisches oder die Frage, ob gutes Essen überhaupt Wert besitzt, wenn niemand es schätzt. Seitwärts gerichtete Auslassungen eines Films, der eigentlich nie wirklich viel erzählt und gerade darum ganz großes Kino bedeutet.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...