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Anderland

Das Grau am Ende des Tunnels

Ein Mann springt vor einen herannahenden Zug. Er erwacht in einem Bus, bärtig, heruntergekommen, als wäre er Ewigkeiten unterwegs gewesen. Das Fahrzeug hält inmitten einer Einöde. Draußen weht ein Banner im Wind mit der Aufschrift "Willkommen", befestigt an einer heruntergekommenen Tankstelle, dem einzigen Gebäude weit und breit. Ein Fremder nimmt den einzigen Fahrgast in Empfang, transportiert ihn in die nächste Stadt, wo man ihm ein Haus und eine Arbeit als Buchhalter zuteilt.

Alle wirken freundlich, aber gleichermaßen oberflächlich, distanziert. Das Interieur der Häuser gleicht Bildern in Möbelkatalogen. Alles ist sauber und ordentlich. Keine Musik ist zu hören, kein Kinderlachen. Die völlige Abstinenz von Liebe und Wut macht Andreas stutzig, und die Worte eines Typen in der Bar setzen sich wie ein Virus in seine Gehirnwindungen fest: "Warum ist hier alles fad - Essen, Alkohol und sogar der Sex?" Trotzdem versucht Andreas in dieser Welt zu leben, geht seinem Job nach, findet Freunde und sucht sich eine Frau. Doch in ihm schwelt die Sehnsucht nach Emotionen. Also macht er sich auf die Suche nach einem Ausgang ...

Der Mensch rekonstruiert das Diesseits im Jenseits - eine gar nicht mal so abwegige Vision, die der Norweger Jens Lien da auftischt. Wie Terry Gilliams Sam Lowry in BRAZIL stolpert sein Held naiv und unbedarft durch diese Welt, die seiner eigenen so sehr gleicht. Er ist ein Durchschnittstyp, Buchhalter, der Impuls, sich anzupassen bleibt immer nachvollziehbar. Doch als einziger Lebender unter Toten sucht er sich bald den Weg durch den Tunnel zum Licht.

Lien filmt seine Odyssee in tristen Bildern. Es gelingt ihm eine kafkaeske Welt zu inszenieren, in die der Zuschauer für 90 Minuten abtaucht. Sein Utopia mitsamt den grau gewandeten mysteriösen Männern im Mini-Van, zitiert die Klassiker von Orwell bis Jeunet. Im Mittelteil verliert er sich ein wenig in der Normalität, inszeniert eine Liebesgeschichte in einer Welt ohne Liebe und klar, all das ist natürlich als Kritik an der Gesellschaft unserer Welt zu verstehen.

Am Ende findet er wieder zum Mann und seiner Mission zurück - seiner Flucht aus diesem surrealen Alptraum aus Reihenhaus und Ikeamöbeln, hin zum Leben.

Originaltitel: DEN BRYSOMME MANNEN

Norwegen 2006, 90 min
Verleih: Zorro

Genre: Drama, Schräg

Darsteller: Trond Fausa AurvŒg, Petronella Barker, Per Schaaning, Brigitte Larsen, Johannes Joner

Regie: Jens Lien

Kinostart: 04.10.07

[ Lars Tunçay ]