CH 2023, 92 min
FSK 12
Verleih: Wild Bunch

Genre: Tragikomödie, Erotik

Darsteller: Ursina Lardi, Roeland Wiesnekker, Max Simonischek, Sarah Spale

Regie: Sabine Boss

Kinostart: 01.06.23

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Die Nachbarn von oben

Ein unmoralisches Angebot?

Anna rückt ihre neueste Anschaffung, einen farbenfrohen Teppich, präsentabel zurecht und macht sich an die Häppchen. Heute zaubert sie sich selbst ein wenig Abwechslung in ihren Hausfrauenalltag und erwartet die neuen Nachbarn auf einen Plausch. Ihr Ehemann Thomas hat auf Besuch keine Lust. Eigentlich hat er auf gar nichts Lust, außer auf dem Dach rauchend in sein Teleskop zu schauen. Die fernen Sterne sind interessanter als sein Job als Dozent am Konservatorium. Unterhaltsamer als die Konversation mit seiner Frau ebenso. Außerdem stören die Obermieter seine Routine mit viel zu lautem Sex. Etwas, das Anna und Thomas schon länger nicht mehr haben. Und wer wird schon gerne daran erinnert, daß man etwas vermissen könnte im Leben?

So weit die Ausgangslage für ein Kammerspiel, das Regisseurin Sabine Boss als „Apéro“ kredenzt. Denn wir befinden uns in einem gutbürgerlichen Schweizer Mietshaus, in einer Wohnung mit Klavier. Das Instrument ist auch so etwas wie das Dingsymbol der Handlung, steht es doch für Thomas' brachliegende Karriere als Pianist. Und für all die angestaute Unzufriedenheit und Langeweile. Es wird nicht bespielt, und es wird nicht mehr gespielt in diesen vier Wänden.

Das jüngere Nachbarspaar, bestehend aus Lisa, einer fröhlich hippiesken Psychologin, und Salvi, dem Feuerwehrkommandanten, flirtet ungeniert drauflos. Gut, daß sie es auf Schweizerdeutsch tun, denn so bekommen die teils antiken Dialoge etwas Schwung, weil es einfach netter tönt. Ansonsten folgen wir dem Argumentations-Strickmuster einer Frauenzeitschriftkolumne zum Thema „Wie bleibt das Sexleben in der Ehe spannend?“ Lisa und Salvi empfehlen ihren sichtlich um Haltung bemühten Gastgebern sexuelle Erlebnisse in Gruppen und „Alles-geht-nix-muß.“ Das bringt die Fassade der Gutbürgerlichkeit langsam zum Bröckeln.

Vor 20 Jahren hätte dieses Szenario noch gereicht, um als frivol und forsch durchzugehen, so ist es schlicht ganz amüsant. Paarbeziehungen sind spannend. Gerade alternde Liebe in der Midlifecrisis birgt Potential. Doch so recht kommt kein Schwung auf. Es funkt einfach nicht zwischen den Charakteren. Und um – wer’s mag – im nostalgischen Gefühl à la „‚Sex And The City‘ trifft auf Woody Allen“ zu schwelgen, sind Salvis Sexappeal und Lisas therapeutische Schlagkraft in Kombination mit Annas erblühender Libido und Thomas’ Grummeligkeit einfach zu gering.

[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...