Originaltitel: HYDE PARK ON HUDSON

GB 2012, 95 min
FSK 0
Verleih: Tobis

Genre: Historie, Komödie

Darsteller: Bill Murray, Laura Linney, Samuel West, Olivia Colman, Elizabeth Wilson, Olivia Williams

Stab:
Regie: Roger Michell
Drehbuch: Richard Nelson

Kinostart: 28.02.13

1 Bewertung

Hyde Park am Hudson

Miss Daisy und ihr Präsident

Während in Europa der 2. Weltkrieg heraufzieht, bereitet man auf dem Landsitz der Roosevelts im Hudson Valley ein Dinner vor. Im Sommer des Jahres 1939 werden Mr. und Mrs. König von Großbritannien erwartet. Sie kommen voller Angst, daß ihnen der amerikanische Präsident die Gefolgschaft gegen Hitler verwehren könnte, und voller Sorge, die Unannehmlichkeiten des Teekränzchens von 1773 würden in den zum Picknick angekündigten „heißen Hunden“ eine unappetitliche Fortsetzung finden. Immerhin, die „Wilden“ der ehemaligen Kolonie hinter dem großen Teich wissen, was sie George VI. samt Gattin schuldig sind: eine Demonstration ihres hemdsärmeligen Selbstbewußtseins und das beste Geschirr, das sich herbeischaffen läßt.

Richtig, Regisseur Roger Michell, der mit NOTTING HILL einen bleibenden Eindruck als Versöhner von hollywoodesker Großromantik und britischer Furztrockenheit hinterließ, begibt sich, durchaus mit Bild- und Wortwitz, in die Weltgeschichte. Er landet in etwa dort, wo THE KING’S SPEECH oder zuletzt Madonnas gefährlich trudelnder Filmkunstkugelblitz W.E. aufschlugen, nämlich im spekulationsfreudigen Fußnotenapparat der Geschichtsschreibung. Was er hier will, ist nun mehrerlei, man könnte auch sagen: zu viel. Denn seine als „hinreißend“ angekündigte Komödie um den Besuch des Alten Europa in der gar nicht mehr so Neuen Welt und den reinigenden Zusammenstoß von transatlantischen Ressentiments wird eher hin- und hergerissen zwischen zwei Geschichten, die sich kaum anders als versehentlich berühren.

Sozusagen am Katzentisch der großen Weltpolitik, die hier auf das Allzumenschliche, manchmal auch das Allzutriviale heruntergebrochen ist, plaziert Michell eine gewisse Miss Daisy. Historiker kennen sie als Margaret Suckley, und ihr schriftlicher Nachlaß sorgte für Spekulationen über eine intime Beziehung zu ihrem an den Rollstuhl gefesselten Cousin 5. Grades Franklin D. Roosevelt. Das Drehbuch von Richard Nelson spinnt daraus eine handfeste Affäre, die sich unter, hinter und neben dem Politkomödienplot zu Schellackgeknister aus dem Autoradio breitmacht.

Es ist eine spröde Romanze, so seltsam graumäusig, melancholisch und psychologisch unerklärt, daß sie selbst durch den hiermit auch als Präsidentendarsteller eingeführten Bill Murray und seine herrlich minimalinvasive Schauspielkunst keine wirklichen Konturen bekommt.

[ Sylvia Görke ]