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Kriegerin

Vom Kontrollverlust und voller Wucht

Es ist ein Glück für David Wnendts Film, daß er gerade jetzt an den Start geht. Auch wenn Glück makaber klingen mag, wenn es einer entdeckten „rechten Terrorzelle“ bedarf, damit dieser Film die Medienöffentlichkeit bekommt, die er verdient. Dabei erzählt Wnendt nichts exakt Neues, wenn er eine Gang Rechtsradikaler in der (ost-)deutschen Provinz ihre Langeweile ausleben läßt. Er tut es aber mit einer Härte, die vor allem daher rühren mag, daß die Hauptfigur eine junge Frau ist: Marisa, 20, Nazibraut, den Reichsadler über die Lungenflügel tätowiert. Brillant kompromißlos gespielt von Alina Levshin, fegt sie alles weg, was ihr in den Weg kommt. Sie ist keine Mitläuferin, sie tritt selber zu. Und Asylanten bedient sie nicht, wenn sie im Lebensmittelmarkt ihrer Mutter an der Kasse sitzen muß.

Wnendt zeigt Gründe auf, die den Haß entflammt haben könnten, entschuldigt damit aber nichts. Zu wenig Liebe, ein Großvater, der den abwesenden Vater ersetzte und schon der kleinen Marisa seinen Judenhaß einimpfte, und vor allem eins – dieses unersetzbare Dazugehörenwollen, dieses Untertauchen in der Meute. Der Umgang innerhalb der Clique ist hart und männlich dominiert. Von Behutsamkeit und Zärtlichkeit keine Spur. Wenn man Marisa und ihren Freund beim Sex beobachtet, könnte man meinen, zwei Ertrinkende ringen auf hoher See darum, wer überleben darf.

Dramaturgisch nachvollziehbar, aber fast ein wenig enttäuschend kommt daher Marisas Katharsis ins Spiel. Ausgerechnet bei Rasul, dem Flüchtlingsjungen aus Afghanistan, findet sie einen Hauch von Geborgenheit, und ein leiser Gesinnungswandel beginnt. Sie verhilft ihm sogar zur Flucht nach Schweden. Unter diesem Blickwinkel geht Marisa am Ende unter, weil sie eine Verräterin ist, und alles fügt sich einer „inneren“ Erzähllogik. Stärker wäre vielleicht gewesen, keinen Sinn bauen zu wollen. Denn hier liegt der Kern, der in den besten Momenten des Filmes schmerzlich spürbar wird. Es gibt keine Erklärungen, es ist noch nicht einmal wichtig, welche Gesinnung, welche Ideale und welche Kriegsbemalungen man vor sich herträgt. Da es einfach nur brodelt in der gelangweilten Jugend. Und da es aufbrechen wird. Unkontrollierbar und mit voller Wucht.

Das gelingt dem Regisseur: Er gibt die Angst vorm Leben weiter, die seine Charaktere antreibt. Bis die nächste Medienwelle die Debatte wieder zum Verstummen bringen wird. Dann sind es wahrscheinlich neu entdeckte Viren, die uns kollektiv ängstigen sollen.

D 2011, 106 min
FSK 12
Verleih: Ascot

Genre: Drama

Darsteller: Alina Levshin, Jella Haase, Sayed Ahmad, Lukas Steltner, Gerdy Zint

Regie: David Wnendt

Kinostart: 19.01.12

[ Susanne Schulz ]