3 Bewertungen

Michael Kohlhaas

Des Pferdehändlers Aufruhr

Es ist im guten Sinne ernüchternd, wenn sich das Kino auch im 14. Jahr des neuen Jahrtausends dem grassierenden Höher-Schneller-Weiter entzieht und angstfrei auf bewährte Tugenden klassischer Bild-Erzählungen setzt. Doch es begab sich ausgerechnet im frühsommerlichen Cannes, daß die neueste Version der Kleistschen Novelle „Michael Kohlhaas“ neben zart enthusiastischem Beifall auch Vorwürfe bekam. „Keine neue Sichtweise“, „konventionell“, „alt“ – so die Einwände der Leinwand-Polizei. Wunderlich, ausgerechnet bei diesem Werk, das so viele Sinne weckt!

Der Franzose Arnaud des Pallières adaptiert Heinrich Kleist für sein Land. Statt Brandenburg und Sachsen die Cevennen, statt Havelsand und Elbe die Berge und Weiten des Vercors. Das 16. Jahrhundert aber verläßt er nicht. Sein Kohlhaas bleibt Pferdehändler, bekommt Familie und damit verstärkte Motivation, auf daß sich der Kampf um Gerechtigkeit lohnen möge. Es wird Kohlhaas’ 10jährige Tochter Lisbeth sein, die ihn fragt: „Führst du Krieg wegen Mama?“ – „Nein.“ – „Führst du Krieg wegen den Pferden?“ Wieder verneint der Vater. Und eine der stärksten Szenen endet mit dem Schweigen der beiden.

Weshalb Kohlhaas Krieg führt, Männer um sich schart gegen Lehnsherren und die Macht ihrer Willkür, ist viel zu komplex für nur eine Antwort. Daß sie bis in heutige Tage reichen würde, also völlig frei ist für Interpretation und Allegorie, macht die entscheidende Qualität von Buch und Film aus. Ein Pferdehändler „empört sich“ …

Kohlhaas’ Frau Judith ist es, die zunächst mit weiblicher Intuition den offiziellen Weg zu gehen beabsichtigt. Sie reist zur Prinzessin und will die Klage über erlittenes Unrecht persönlich vorbringen. Man schlägt sie zusammen, schickt sie im Fuhrwerk auf den heimischen Hof zurück, wo sie in den Armen ihres Mannes stirbt. Allein deshalb Aufruhr anzufangen, wäre nachvollziehbar. Zuvor hatten Untergebene des Barons zwei von Kohlhaas’ Rappen als Pfand für einen Passierschein einbehalten, erst die Tiere und dann seinen Knecht geschunden. Kohlhaas verlangt Wiedergutmachung, setzt einen Advokaten ein, wird brüsk abgewiesen. In einer explosiven Mischung aus Verbissenheit und Stolz zieht er ins Feld. Kohlhaas muß erkennen, daß schon die eigene Wut schwer mit der Ehre ringt. Einige rekrutierte Freiwillige aus dem einfachen Volk aber weiß er kaum zu bändigen. Krieg und Auswuchs – wieder bricht sich das Zeitlose Bahn.

Mads Mikkelsen ist Michael Kohlhaas. Nach DIE JAGD macht der Däne die zweite entwaffnend starke Figur in diesem Jahr. Die stringente Inszenierung rückt zwar nie von ihm ab, dennoch schafft es Regisseur Arnaud des Pallières zusammen mit Kamerafrau Jeanne Lapoirie, ihn immer wieder in klare Bilder zu setzen, die sich weit mehr als nur unterwerfen. Körper spielen mit Landschaft, Landschaft mit Körpern. Nähe und Distanz wechseln einander homogen ab, es wird bedacht gesprochen, Blut, Tod und Verderben stinken empor zum grauen Himmel. Dennoch bleibt etwas Wärme übrig zwischen Charakteren, die es sich wert sind.

Dieser MICHAEL KOHLHAAS ist weder Schlachten-, Sitten- noch Ausstattungsgemälde, achtet religiöse Symbole, statt in ihnen zu ersaufen. Es handelt sich schlicht und einfach um kraftvolles Kino 2013.

Originaltitel: MICHAEL KOHLHAAS

F/D 2013, 122 min
FSK 12
Verleih: Polyband

Genre: Literaturverfilmung, Historie, Drama

Darsteller: Mads Mikkelsen, Mélusine Mayance, Delphine Chuillot, Bruno Ganz, David Kross

Regie: Arnaud des Pallières

Kinostart: 12.09.13

[ Andreas Körner ]