D 2017, 113 min
FSK 6
Verleih: Universum

Genre: Tragikomödie, Poesie

Darsteller: David Kross, Frederick Lau, Emilia Schüle, Devid Striesow, Axel Stein

Regie: Markus Goller

Kinostart: 09.11.17

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Simpel

Mein Bruder, der Idiot

Daß eine Geschichte, wie die von Simpel, recht lange (das Buch erschien bereits 2004) auf eine Verfilmung warten mußte, mutet ein wenig seltsam an, denn der Kern der Erzählung über den geistig behinderten Jungen Simpel und seinen Bruder Ben ist an sich wie gemacht fürs Kino. Allerdings: Markus Goller tat gut daran, sich von der Buchvorlage zu emanzipieren, denn auch wenn die Beziehung zwischen den zwei Brüdern unbedingt erzählenswert ist, das Buch selbst ist doch eher dröge geraten, zumal sich darin fast alles in geschlossenen Räumen abspielt, die Handlung in einer WG festklebt, in der Simpel und Ben unterkommen, Goller hingegen geht raus. Was in doppeltem Sinne sich erschließt, denn immerhin geht es ja darum, ein irgendwie möglichst normales Leben zu führen – für Ben, der studieren will, und für Simpel, der zwar geistig eingeschränkt ist, vielleicht wirklich auf dem Stand eines 3jährigen festhängt, aber dennoch leben will, Spaß haben möchte, wenn nur Monsieur HaseHase dabei sein kann!

Ben muß alles tun, damit nach dem Tod der Mutter Simpel nicht in ein Heim abgeschoben wird, und mit Flucht vor den Vollzugsautoritäten wird ein Roadmovie angeschoben, das schon ein klassisches ist, aber eben auch eine emotionale Reise bedeutet – hinein in familiäre Abgründe in Form des sich für Simpel schämenden, frisch liierten Vaters, zu neuen Freunden, Puffbekanntschaften und zur Stärkung eines ohnehin unerschütterlichen Bruderbundes. Das ist auch das Herzstück des anrührenden Films, toll, wie zärtlich, trotz aller Wut und Ohnmacht, die bei Ben ob der Verantwortung manchmal aufkommen, dieser Bund gezeichnet ist. Simpel ist zurückgeblieben, keine Frage, aber dennoch versteht er, fühlt er. Und hat Witz, auch wenn er von sich sagt: „Ich bin ein Idiot!“ Goller schaut auf Simpels Ängste vor zerquetschenden Bustüren, zeigt dessen Gutmütigkeit, indem er beinahe jeden drückt, und weiß mit kleinen Gesten tief zu berühren, etwa wenn Simpel die Nähe des Bruders beim Einschlafen sucht und kindlich einfordert: „Hand!“

SIMPEL ist alles andere als ein „Problemfilm“ geworden, dafür erzählt er zu spinnert, ist amüsant, zärtlich und sympathisch. Und bestens besetzt. Frederick Lau ist eh immer gut, aber wie David Kross zu Simpel wird, ist schlicht verblüffend. Sein Spiel als im Watt tanzender König mit Papierkrone erinnert stark an Leonardo DiCaprio in GILBERT GRAPE, und „Idioten“ derart glaubwürdig zu spielen, ohne zu überdrehen und doch die Herzen zu öffnen – das ist Königsdisziplin!

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.