Originaltitel: ILLUSIONS PERDUES

F/Belgien 2021, 150 min
FSK 12
Verleih: Cinemien

Genre: Literaturverfilmung, Drama, Historie

Darsteller: Benjamin Voisin, Cécile de France, Vincent Lacoste, Xavier Dolan

Regie: Xavier Giannoli

Kinostart: 22.12.22

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Verlorene Illusionen

Eine Sinnsuche

Lucien ist der frische Intellektuelle, so wie man ihn sich vorstellt: Jung und gutaussehend, betört er mit seinen Liebesgedichten die gelangweilten adligen Frauen. Weil seine Poesie in der französischen Provinz sonst aber nicht auf offene Ohren stößt, macht er sich nach Paris auf, heuert bei einer Zeitung an und avanciert schnell zum

Jungstar der schreibenden Zunft. Er verfaßt blumige Theaterrezensionen oder fiese Verrisse, je nachdem, was sein Redakteur gerade wünscht und wer dafür bezahlt hat. Denn die schönen Künste im Frankreich des 19. Jahrhunderts – und das ist der Kern der Romanvorlage von Honoré de Balzac – werden nur an der Oberfläche gefeiert, Triebfedern allen menschlichen Handelns sind Macht, Gier und Profit.

Regisseur Xavier Giannoli fährt mit der Neuverfilmung des Literaturklassikers groß auf: ausufernde Kleider und Kostüme, rauschende Parties. Lucien läßt sich treiben, Sex, Drugs And Rock’n’Roll. Mit kantigen Schnitten und viel Bohei inszeniert Giannoli den jungen Bohème als historischen Influencer, der die eigenen Ziele aus den Augen und sich selbst in dieser Welt verliert, in der kurz nach der Französischen Revolution Zeitungsblätter aus dem Boden schossen und in Klatschpresse-Manier verleumdeten und logen. Bis Lucien den Bogen überspannt und sich das perfide Spiel aus Schein und Betrug gegen ihn selbst richtet.

Obwohl die gleiche Story auch gut im Hier und Jetzt funktioniert hätte, fesselt dieser wahnsinnige Aufstieg und Fall eines Sinnsuchenden, reißt mit und führt gekonnt und schmerzhaft vor Augen, daß der Mensch sich äußerlich zwar verändert, im Inneren aber alles so bleibt, wie es immer war.

[ Claudia Euen ]